Winslow, Don
Keller. »Was anderes gibt's doch in Mexiko nicht mehr.«
»Na, dann viel Erfolg bei der Arbeit, Arthur«, sagt Hobbs. »Tut mir leid,
dass wir Ihnen nicht weiterhelfen können.«
»Ihre Mühe weiß ich zu schätzen«, erwidert Keller.
Er legt auf und fragt sich, warum sich der Regionalchef für Mittelamerika,
der rund um die Uhr mit der Niederschlagung der Sandinisten beschäftigt ist,
die Zeit nimmt, ihn persönlich anzurufen - und zu belügen.
Niemand will über SETCO reden, denkt Keller. Weder meine Kollegen von der DEA noch das
Außenministerium, nicht mal die CIA.
Alles eine Suppe, denkt er. Und die Buchstaben in der Suppe ergeben immer
nur ein Wort: YOYO. You are on your own.
Ernie macht ähnliche Erfahrungen.
Wenn er seine Quellen mit dem Namen Barrera konfrontiert, klappen sie das
Visier herunter. Selbst die größten Plaudertasehen bekommen plötzlich
Maulsperre. Barrera ist einer der prominentesten Geschäftsleute der Stadt,
aber keiner hat je von ihm gehört.
Lass ihn laufen, sagt sich Keller. Das ist deine Chance.
Es geht nicht.
Warum nicht?
Ich kann es nicht.
Sei wenigstens ehrlich.
Okay. Vielleicht weil ich's nicht ertrage, dass er der Sieger bleibt.
Vielleicht weil ich ihm einen Denkzettel verpassen will. Klar. Aber du bist es
am Ende, der den Denkzettel kassiert. Er bleibt immer schön im Hintergrund. Du
kriegst ihn einfach nicht in die Finger.
Es stimmt. Sie kommen nicht an ihn ran.
Dann passiert das Verrückte.
Tío kommt zu ihnen.
Oberst Vega, ein hohes Tier bei den Federales in Jalisco und eigentlich Kellers Verbindungsoffizier, kommt
in Kellers Büro, setzt sich hin und verkündet mit Grabesstimme: » Señor Keller, ich
sage es ganz offen. Ich bin gekommen, um Sie in aller Höflichkeit, aber
Entschiedenheit zu bitten - bitte unterlassen Sie es, Don Miguel Angel Barrera
zu belästigen.«
Sie starren sich gegenseitig an, dann sagt Keller: »So gern ich Ihnen
helfen würde, Oberst Vega, aber dieses Büro ermittelt nicht gegen Señor Barrera. Nicht
dass ich wüsste, jedenfalls.«
Er ruft ins andere Büro hinüber: »Shag, ermittelst du gegen Señor Barrera?«
»Nein, Sir.«
»Ernie?«
»Nein.«
Keller hebt die Hände und zuckt mit den Schultern.
»Senor Keller«, sagt Vega und schaut durch die Tür zu Ernie hinüber. »Ihr
Mitarbeiter wirft auf unverantwortliche Weise mit dem Namen von Don Miguel um
sich. Señor Barrera ist ein angesehener Geschäftsmann mit vielen Freunden in der
Regierung.«
»Und offenbar auch beim Regionalbüro der Bundespolizei.«
»Sie sind Mexikaner, nicht wahr?«, fragt Vega. »Ich bin
Amerikaner.« Und?, fragt er sich. Was machst du daraus?
»Aber Sie sprechen Spanisch.« Keller nickt.
»Dann kennen Sie ja das Wort intocable«, sagt Vega und erhebt sich. »Senor Keller, Don Miguel ist intocable.« Unantastbar.
Mit dieser Feststellung verabschiedet sich Vega.
Ernie und Shag kommen zu Keller ins Zimmer. Shag will anfangen zu reden,
aber Keller stoppt ihn und gibt beiden zu verstehen, dass sie jetzt alle das
Büro verlassen werden. Sie gehen etwa einen Block weit, bis Shag schließlich
fragt: »Woher weiß Vega, dass wir gegen Barrera ermitteln?«
Zurück im Büro, brauchen sie nur ein paar Minuten, bis sie das winzige
Mikro unter Kellers Schreibtisch aufgespürt haben. Ernie will es herausreißen,
aber Keller packt ihn beim Handgelenk. »Ich könnte ein Bier gebrauchen«, sagt
er. »Ihr auch?«
Sie fahren in eine Bar in der Altstadt.
»Wunderbar«, sagt Ernie. »In den Staaten werden die bösen Buben von den
Cops abgehört. Hier werden die Cops von den bösen Buben abgehört.«
Shag schüttelt den Kopf. »Das heißt, sie wissen alles, was wir wissen.«
Na gut, denkt Keller. Sie wissen, dass wir in Tío M -i vermuten, den Kopf der Federación. Sie wissen, dass wir das Kokain-Flugzeug als
Eigentum von Núñez und Mette identifiziert haben. Und sie wissen, dass wir damit keinen
Schritt weiterkommen. Was macht sie also so nervös? Warum schicken sie Vega los, um eine
Ermittlung zu stoppen, die zu nichts führt?
Und warum gerade jetzt?
»Okay«, sagt Keller. »Wir funken ihnen was rüber. Sollen sie glauben, dass
sie uns gestoppt haben. Ihr Jungs haltet euch eine Weile zurück.«
»Und was hast du vor, Art?«
Ich? Ich werde den Unantastbaren antasten.
Im Büro erzählt er Ernie und Shag, dass sie die Ermittlungen zu Barrera
leider einstellen müssen. Dann geht er hinaus zur Telefonzelle und ruft Althea
an. »Ich schaff's heut nicht
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