Winston 2 - Agent auf leisten Pfoten (German Edition)
kann man im Computer jemanden kennenlernen, in den man sich verliebt? Ohne dass man ihn überhaupt schon mal gesehen hat? Verstehe ich nicht. Ehrlich: Ich bin sehr froh, dass mein Werner mit diesem ganzen Liebeszeugs nichts am Hut hat. Liebe scheint etwas sehr Kompliziertes zu sein, das wir hier absolut nicht brauchen. Wir leben einfach weiter friedlich zusammen in der Hochallee – miau!
»Vor allem, seit mein Vater wieder geheiratet hat, ist das Thema für meine Mutter wichtig«, erzählt Pauli weiter. »Das hat sie richtig geärgert und wahrscheinlich beneidet sie ihn deswegen.«
»Hm.« Mehr sagt Kira dazu nicht.
Pauli betrachtet sie nachdenklich. »Was ist eigentlich mit deinem Vater? Lebt der auch in Hamburg?«
Kira richtet sich vom Bett auf und zuckt mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich glaube aber nicht. Mama spricht nie über ihn. Er hat uns verlassen, als ich noch ganz klein war. Ich kann mich kaum an ihn erinnern.«
»Vermisst du ihn?«, fragt Pauli neugierig nach.
Kira schüttelt den Kopf. »Nee. Ich sag ja: Ich weiß kaum noch etwas von ihm. Ein bisschen so, wie wenn man morgens versucht, sich an einen Traum zu erinnern. Man weiß, dass da etwas war, aber man weiß nicht mehr genau, was.«
»Na ja, ist ja auch nicht so wichtig. Manchmal denke ich, es wäre sowieso einfacher, wenn man von vornherein nur ein Elternteil hätte. Einer allein kann sich schließlich nicht mit sich streiten. Es wäre also immer friedlich. Ein echter Vorteil!«
»Ja.« Mehr sagt Kira dazu nicht und ich habe das Gefühl, dass sie einfach nicht mehr über das Thema reden will. Woran das wohl liegt? Sonst ist sie doch nicht so schweigsam. Ich bin nun richtig neugierig geworden und versuche mir vorzustellen, wie Kiras Vater wohl aussehen könnte. Kira sieht eigentlich ihrer Mutter ziemlich ähnlich: Sie ist schmal und blond, mit blauen Augen. Die hatte sie lustigerweise auch behalten, als sie in meinem Körper steckte, ich wiederum hatte als Mädchen immer noch meine grünen Winston-Augen. Wir mussten höllisch aufpassen, damit Anna das nicht merkte. Sie hätte sonst gleich gewusst, dass etwas mit uns nicht stimmt. Ich bin deshalb häufiger mit einer Sonnenbrille am Frühstückstisch aufgekreuzt. Aber das nur am Rande … also, was könnte Kira von ihrem Vater haben? Vielleicht die Art, wie sie manchmal den Kopf schief legt? Das macht Anna nie. Oder die leichten Wellen in Kiras langen Haaren? Schließlich sind die von Anna ganz glatt.
»Nun lass uns mal mit den Hausaufgaben anfangen«, wechselt Kira schließlich das Thema. »In Englisch müssen wir uns richtig reinhängen, da schreiben wir nächste Woche eine Arbeit.«
Pauli nickt. »Ja, du hast recht. Meine letzte Arbeit war nicht so glanzvoll. Fast so schlecht wie die von Emilia und die hat nun wirklich überhaupt keinen Plan.« Sie kichert. »Das wird noch lustig für Tom, wenn er jetzt für ihre Hausaufgaben zuständig ist.«
»Na ja, ich hab schon irgendwie ein schlechtes Gewissen«, räumt Kira ein. »So richtig korrekt ist die Verlosung ja nicht abgelaufen. Ich hoffe, Tom ist nicht allzu sauer auf uns.«
Pauli zuckt mit den Schultern. »Er wird’s überleben.«
»Trotzdem – ich habe mich heute schon ein bisschen schlecht gefühlt, als wir es ihm gebeichtet haben.«
»Na gut, als Buße können wir ihn begleiten, wenn er seinen ersten Einsatz hat. Ich hoffe, es wird nicht so bald sein.«
Kira lacht. »Nee, bestimmt nicht. Emilia ist doch eigentlich nie krank – du weißt schon: Unkraut vergeht nicht.«
Die nächste Stunde verbringen die Mädchen damit, sich gegenseitig Englischvokabeln abzufragen. Laaaangweilig! Das einzig Spannende daran ist, dass ich einen Teil der Vokabeln kenne, weil ich seit meiner Zeit in Kiras Körper auch ein bisschen Englisch kann. Als Mensch konnte ich nämlich auf einmal solchen Schulkram wie Lesen, Schreiben und Rechnen und – jetzt kommt’s: Diese Fähigkeiten habe ich auch nach dem Rücktausch nicht verloren. Somit dürfte ich die einzige Katze auf der Welt sein, die lesen kann. Leider weiß keiner diese Sensation zu würdigen, denn meine Mitkatzen interessieren sich nicht dafür und den Menschen kann ich es schließlich nicht erzählen. Nicht einmal Kira, denn mit dem Gedankenlesen ist es ja vorbei. Maunz! Es ist grausam, ein verkanntes Genie zu sein!
Ich schleiche mich davon und lege mich auf die Fensterbank. Hier kann ich die letzten Sonnenstrahlen des warmen Sommernachmittags genießen. Das Fenster ist gekippt, von
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