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Winter

Winter

Titel: Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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Betreten.
»Es war eine solche Tragödie, dass gleich beide starben. Die Leute waren am Boden zerstört. Manchmal ist das Leben so ungerecht.«
»Mmm. Mag sein.«
Ich merkte, wie ich langsam die Geduld verlor. Sie sollte endlich gehen, damit ich das Haus wieder für mich hatte und über diese Dinge nachdenken konnte, diese Großtante, die da plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht war.
Sylvia machte weiter, schien nichts zu merken. Ich glaube nicht, dass sie besonders empfänglich für die Gefühle anderer war.
»Ich kann mich noch gut daran erinnern, als meine Mutter von der Beerdigung deiner Mutter nach Hause kam. Ihre Beine waren bis zu den Knien mit rotem Schlamm bedeckt. Es hatte wochenlang geregnet und der Boden da oben beim Aussichtspunkt ist ja reine Tonerde.«
Ich versuchte zu verarbeiten, was sie gerade gesagt hatte. Mein Hirn ratterte wie ein Rechner, dem man mehrere Befehle auf einmal erteilt und der dann wie das Werk eines Spielzeugs, das man ganz rasch aufzieht, diese Tickgeräusche von sich gibt. Sylvia wischte den Boden. Ihr war nichts aufgefallen. Ich wusste, ich musste etwas sagen. Schließlich tat ich den Mund auf.
»Heißt das, meine Mutter ist hier in der Nähe begraben?«
Ich nehme an, was mich in dem Moment wirklich schockierte, war die Tatsache, dass ich mich nie gefragt hatte, wo meine Eltern begraben waren. Wieso eigentlich nicht? Das war ja abscheulich. Und so gedankenlos. Jetzt schämte ich mich, dass ich mich nie nach ihren Gräbern erkundigt hatte.
Sylvia schien auch ziemlich schockiert. Sie hielt den Mopp in die Höhe und starrte mich an. Ihre normalerweise roten Wangen waren jetzt bis auf zwei kleine glühende Flecken in der Mitte blass geworden.
»Weißt du das etwa nicht?«
Schon wieder diese Frage! Sie hing mir ebenso zum Hals heraus wie meine eigene Unwissenheit. Ich biss mir auf die Zunge, doch Sylvia antwortete für mich.
»Wir vergessen dauernd, wie klein du noch warst, als das alles passiert ist. Tut mir Leid. Ich dachte, du wusstest von ihren Gräbern.«
»Tue ich aber nicht.«
»Sie sind beide auf dem Grundstück begraben. Sehr unüblich heutzutage. Keine Ahnung, wie viele Hebel da in Bewegung gesetzt wurden. Eine Menge Papierkram, würde ich mal sagen.«
»Wo sind sie begraben? Wo genau?«
Ich stand mit fest verschränkten Armen da, als müsste ich mich selbst festhalten und verhindern, dass mein Innerstes herausfiel.
»Na, oben beim Aussichtspunkt, wie ich gesagt habe.«
»Wo ist der Aussichtspunkt?«
»Oh, du weißt nicht einmal das…«
Sie lehnte den Mopp an den Türstock und ging mit mir nach draußen. Dort wies sie auf ein Gatter, durch das man die oberste Weide verließ. »Du gehst durch das Gatter und folgst rechts davon der Fahrspur. Nach ungefähr einem halben Kilometer kommt eine Gabelung, dort gehst du nach links. Dann immer geradeaus bergauf. Es ist ein ziemlicher Marsch, aber du kannst den Aussichtspunkt nicht verfehlen.«
Wenn Leute einem den Weg erklären, enden sie immer mit den Worten: »Du kannst es nicht verfehlen.«
Sylvia sah mich besorgt an. »Willst du jetzt gleich da hinaufgehen? Jetzt sofort? Soll ich mitkommen? Bist du sicher, du schaffst das? Das könnte ziemlich schwer für dich werden.«
»Nein, mir geht’s gut. Mach dir keine Sorgen. Ich will es bloß sehen, mehr nicht.«
Als ich mich über die Weide entfernte, spürte ich ihren Blick in meinem Rücken, aber ich drehte mich nicht mehr um.
7
    In einer Sache behielt sie Recht: Es war ein ziemlich anstrengender Fußmarsch. Der Güterweg wand sich durch offenen Eukalyptuswald den Berg hinauf. Ich war zwar im Laufe der Woche schon öfter hier gewesen, dabei aber jedes Mal vom Weg abgekommen und durch den Wald zu den von Farnen gesäumten Wasserrinnen hinuntergewandert. Der Busch schien endlos, weshalb ich angenommen hatte, er würde nirgendwo hinführen, sondern irgendwann in das nächste Grundstück übergehen.
    Ich erreichte die Gabelung und ging weiter. Die Straße stieg in einem fort bergan. Als mir heiß wurde und ich zu schnaufen anfing, zog ich meinen Pullover aus und band ihn mir um die Hüften. Laut Mrs Scanelli war das genau das richtige Training, um an meiner Stimme zu arbeiten. »Große Lungen«, sagte sie jedes Mal, »du brauchst Lungen wie Luftkissen!« Kein Problem. Wenn ich weiter in diesem Tempo den Berg hinaufrannte, würde ich sie bald haben.
    Plötzlich hörte ich im Busch rechts von mir ein dumpfes Stampfen. Wahrscheinlich nur ein Wallaby oder Känguru, das sich vor mir aus dem

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