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Winter

Winter

Titel: Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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klingt ziemlich bescheuert, denn immerhin hatte ich gerade eine neue Verwandte bekommen, ein neues Mitglied der eigenen Familie. Aber für mich hatten diese Worte keine Bedeutung. Meine »Familie« bestand in Wirklichkeit aus nur einem Mitglied und das war ich. Meine beiden Großeltern väterlicherseits aus Adelaide waren vor vier Jahren gestorben, knapp hintereinander im Zeitraum von nur einem Jahr. In unserer Familie schien das ein Muster zu sein.
    Die Eltern meiner Mutter waren vor Ewigkeiten gestorben – jedenfalls, soweit mir bekannt war, denn plötzlich bekam ich an allem Zweifel, was mir je erzählt worden war – und meine Eltern waren beide Einzelkinder gewesen, sieht man von der Halbschwester und dem Halbbruder meiner Mutter ab. Die Robinsons waren zwar offiziell mit mir verwandt, aber als »Familienangehörige« hatte ich sie nie empfunden, schon gar nicht, wenn ich sie mit den Familien meiner Freunde verglich.
    Warum mich die Robinsons zu sich nahmen, weiß ich bis heute nicht. Wahrscheinlich tat ich ihnen Leid. Und ich war ihnen dankbar. Ehrlich dankbar. Denn wer weiß, wo ich sonst gelandet wäre? In so einer Art Waisenhaus womöglich? Gab es so etwas überhaupt noch? Ich hatte eher den Eindruck, dass die meisten Kids ohne Familie heutzutage zu Pflegefamilien kamen. Das war sicher auch kein Vergnügen.
    Die Robinsons haben mich nie schlecht behandelt. Ich schien ihnen bloß gleichgültig. Vielleicht ist das ja auch eine Art von Missbrauch. Vielleicht sogar die schlimmste. Woher sollte ich das wissen? Sie führten ihr Leben einfach weiter, fast so, als wären sie fest entschlossen, dass sich durch mich nichts ändern würde.
    Jahrein, jahraus schlich ich auf Zehenspitzen durchs Haus, ständig in Angst, dass ich, wenn ich zu viel Lärm machte, wenn ich Kleider trug, die zu steil oder zu bunt waren, das Universum nicht nur stören, sondern regelrecht in eine andere Dimension schleudern würde.
    Also adoptierte ich die Familien meiner Freunde, in gewisser Weise wenigstens, und entwickelte im Laufe der Jahre eine Zuneigung für viele ihrer Verwandten. An den Wochenenden, an denen wir im Internat Ausgang hatten, fuhr ich fast immer zu ihnen. So kommt man zwar auch nicht unbedingt zu einer Familie, aber wer bettelt, darf nicht wählerisch sein, und was die Verwandtschaft anlangt, war ich eine Bettlerin.
    Wieder auf dem Hof stieß ich auf Sylvia, die damit beschäftigt war, die Küche zu putzen. Ich hatte sie nicht darum gebeten, daran hindern würde ich sie aber auch nicht. Ich meine, ich bin ein Teenager – soll ich vielleicht einem Erwachsenen sagen, nicht für mich zu putzen? Es gibt genug Leute, die mich für verrückt halten, vielleicht bin ich es auch, aber so bescheuert bin ich dann auch wieder nicht.
    Zugleich war es mir aber auch unangenehm. Es hatte etwas Irritierendes… Entnervendes… als würde sie in meinem Revier herumschnüffeln. Unerlaubtes Betreten nannte man das. Anderen nachspionieren. Sie wäre die Letzte gewesen, die ich ins Vertrauen ziehen würde, aber es gab sonst niemanden, den ich fragen konnte, und außerdem lebte sie schon so lange in der Gegend, dass meine Großtante für sie nichts Neues sein durfte.
    »Kennst du meine Großtante? Mrs Harrison? Rita Harrison?«
    »Klar.« Sie drückte den Mopp im Eimer aus, dann hielt sie inne und sah mich an. »Alle kennen Mrs Harrison.« »Alle außer mir.«
»Was meinst du?«
»Ich kenne sie nicht. Ich höre heute zum ersten Mal von ihr.
    Vor fünf Minuten wusste ich nicht einmal, dass ich eine Großtante habe.«
    »Ehrlich? Das ist ja seltsam. Ich dachte, ihr hättet Kontakt. Andererseits ist sie… wie soll ich sagen… sie lebt nach ihren eigenen Regeln. Wenn sie sich für etwas entscheidet, bringen sie keine zehn Pferde dazu, es sich anders zu überlegen. Eine Menge Leute hier in der Gegend haben richtig Angst vor ihr. Sie ist eine… eine einflussreiche Frau.«
    Sie fing wieder an den Boden zu wischen. »Du erinnerst dich wohl nicht mehr sehr gut an deine Eltern, was?«
»Nein, nicht sehr.«
»Persönlich bin ich ihnen nie begegnet, obwohl ich in Christie aufgewachsen bin. Aber die Leute haben gerne von ihnen gesprochen. Sie waren in der ganzen Gegend sehr beliebt.«
»Das freut mich«, erwiderte ich. Sie wollte nett sein, aber irgendwie klappte es nicht. Bei ihr hatte ich immer das Gefühl, dass sie nicht echt war. Wenn überhaupt, fühlte ich mich von ihr missbraucht, wenn sie über meine Eltern sprach. Noch mehr unerlaubtes

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