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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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vermutete, dass sie Mosleys Propaganda zitierte.
    »Aber die Faschisten quälen und ermorden jeden, der anderer Meinung ist als sie.« Er musste an Jörg Schleicher denken. »In Berlin habe ich es mit eigenen Augen gesehen. Ich war für kurze Zeit in einem ihrer Lager. Ich musste mit ansehen, wie ein nackterMann von ausgehungerten Hunden zerfleischt wurde. Das sind Ihre faschistischen Freunde!«
    Daisy zeigte sich unbeeindruckt. »Und wer ist in England in letzter Zeit von Faschisten ermordet worden?«
    »Noch haben die britischen Faschisten nicht die Macht dazu, aber Mosley bewundert Hitler. Wenn sie jemals die Gelegenheit bekommen, werden sie es genauso machen wie die Nazis.«
    »Sie meinen, sie werden die Arbeitslosigkeit beseitigen und den Menschen Stolz und Hoffnung zurückgeben?«
    Lloyd fühlte sich noch immer so sehr zu Daisy hingezogen, dass es ihm schier das Herz brach, sie solchen Unsinn reden zu hören. »Stolz? Hoffnung? Sie wissen doch, was die Nazis der Familie Ihrer Freundin Eva angetan haben.«
    »Eva hat geheiratet, wussten Sie das?«, fragte Daisy in entschlossen fröhlichem Tonfall, als versuchte sie, ein Tischgespräch auf ein unverfänglicheres Thema zu lenken. »Den netten Jimmy Murray. Sie ist jetzt eine englische Ehefrau.«
    »Und Evas Eltern?«
    Daisy schaute weg. »Ihre Eltern kenne ich nicht.«
    »Aber Sie wissen, was die Nazis ihnen angetan haben.« Eva hatte Lloyd beim Trinity Ball alles erzählt. »Ihr Vater darf nicht mehr als Arzt praktizieren, er arbeitet jetzt als Apothekenhelfer. Er darf keinen Park und keine öffentliche Bibliothek betreten. In seinem Heimatdorf ist der Name seines Vaters vom Kriegerdenkmal entfernt worden!« Lloyd bemerkte, dass er die Stimme erhoben hatte, und fuhr ruhiger fort: »Wie können Sie nur Seite an Seite mit Leuten stehen, die so etwas tun?«
    Daisy wirkte betroffen, beantwortete seine Frage aber nicht. »Ich bin spät dran. Bitte entschuldigen Sie mich.«
    »Was Sie tun, ist unentschuldbar.«
    Der Chauffeur sagte: »Also gut, Söhnchen, das reicht jetzt.«
    Er war ein massiger Mann in mittleren Jahren, der sich offensichtlich wenig bewegte. Lloyd war kein bisschen eingeschüchtert, wollte aber auch keinen Kampf. »Ich gehe«, sagte er, »aber nennen Sie mich nicht noch einmal Söhnchen.«
    Der Chauffeur fasste ihn beim Arm.
    »Nehmen Sie die Hand weg, sonst schlage ich Sie zu Boden.« Lloyd starrte dem Fahrer ins Gesicht.
    Der Mann zögerte. Lloyd spannte sich an, bereitete sich auf die Reaktion vor und achtete auf Warnsignale, als wäre er im Boxring. Wenn der Chauffeur versuchte, ihn zu schlagen, dann mit einem Schwinger oder einer Geraden, denen sich leicht ausweichen ließ.
    Doch entweder spürte der Mann Lloyds Kampfbereitschaft, oder die gut entwickelten Armmuskeln Llodys flößten ihm Respekt ein; jedenfalls löste er seinen Griff, trat zurück und sagte: »Kein Grund, grob zu werden.«
    Daisy ging davon.
    Lloyd blickte ihrem Rücken in der perfekt sitzenden Uniform hinterher, während sie sich den Reihen der Faschisten näherte. Mit einem bitteren Seufzer wandte er sich um und ging in die andere Richtung.
    Er versuchte, sich auf das Bevorstehende zu konzentrieren. Es war dumm von ihm gewesen, dem Chauffeur zu drohen. Hätte er einen Kampf provoziert, wäre er vermutlich verhaftet worden und hätte den Tag in einer Gefängniszelle verbracht. Ein Beitrag zur Niederschlagung des Faschismus wäre das ganz sicher nicht gewesen.
    Mittlerweile war es halb zwölf durch. Lloyd verließ Tower Hill, suchte sich eine Telefonzelle, rief den Jüdischen Rat an und sprach mit Bernie. Nachdem er seine Beobachtungen übermittelt hatte, bat Bernie ihn, die Anzahl der Polizisten auf den Straßen zwischen dem Tower und Gardiner’s Corner in Erfahrung zu bringen.
    Lloyd ging zur Ostseite des Parks und erkundete die abzweigenden Nebenstraßen. Was er sah, versetzte ihn in Erstaunen.
    Er hatte mit ungefähr hundert Polizeibeamten gerechnet. Tatsächlich waren es Tausende.
    Sie standen auf den Gehsteigen, warteten in Dutzenden geparkter Mannschaftsbusse und saßen auf riesigen Pferden, die in ordentlichen Reihen aufgestellt waren. Für Passanten wurde nur eine schmale Lücke gelassen. Lloyd sah mehr Polizeibeamte als Faschisten.
    Aus einem der Busse verhöhnte ihn ein uniformierter Constable, indem er den Arm zum Hitlergruß hob.
    Lloyd war entsetzt. Wenn so viele Polizisten aufseiten der Faschisten standen, wie sollten die Aufmarschgegner Widerstand leisten?
    Das

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