Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
Wüste voller Staub und Felsen. »Es gibt nicht viel, was uns bei unserem Vorstoß Deckung bieten könnte«, bemerkte er besorgt.
Lenny Griffiths, der neben ihm stand, nickte. »Die Schlacht wird hart und blutig.«
Lloyd schaute auf seine Karte. Saragossa schmiegte sich gut hundert Meilen vom Mittelmeer entfernt an den Ebro. Die Stadt, die am Zusammenfluss dreier Flüsse lag, beherrschte die Kommunikationslinien in der Region Aragón. Außerdem trafen hier mehrere Eisenbahnlinien zusammen.
Hier, in diesem pulvertrockenen Landstrich, stand die spanische Armee den antidemokratischen Rebellen gegenüber, den Putschisten des General Franco. Manche bezeichneten die Regierungsstreitkräfte als Republikaner und die Rebellen als Nationalisten, aber das war irreführend. Auf beiden Seiten kämpften Republikaner, jedenfalls in dem Sinne, als dass sie keine Monarchie wollten. Zugleich waren sie Nationalisten, denn sie liebten ihr Land und waren bereit, dafür zu sterben. Lloyd zog es vor, die gegnerischen Seiten als die Regierung und die Rebellen zu bezeichnen.
»Wenn es uns gelingt, Saragossa einzunehmen«, sagte Lloyd, »wird der Feind auch im nächsten Winter im Norden festsitzen.«
»Ja, wenn«, erwiderte Lenny.
Die Aussichten waren düster. Sie konnten allenfalls darauf hoffen, den Vorstoß Francos aufzuhalten. Aber so war nun einmal die Lage. In diesem Jahr konnte die Regierung definitiv mit keinem Sieg mehr rechnen.
Dennoch freute Lloyd sich auf den Kampf. Es würde seine erste Schlacht werden. Bis jetzt war er nur Ausbilder im Basislager gewesen: Kaum hatten die Spanier herausgefunden, dass er an der Universität im Kadettenkorps zum Reserveoffizier ausgebildet worden war, hatten sie ihn zum Subteniente ernannt, zum Leutnant, und ihm den Befehl über die Rekruten übertragen. Er sollte sie drillen, bis sie blind gehorchten; er sollte mit ihnen marschieren, bis aus den Blasen an den Füßen Schwielen geworden waren, und er sollte ihnen zeigen, wie man die wenigen Gewehre, über die sie verfügten, auseinandernahm und reinigte.
Aber die Flut der Freiwilligen war nahezu verebbt, und die Ausbilder, darunter Lloyd, waren in Kampfbataillone versetzt worden.
Lloyd trug ein Barett, eine Windjacke mit Reißverschluss, auf deren Ärmel improvisierte Rangabzeichen genäht waren, und eine Cordhose. Als Waffe diente ihm ein spanisches Gewehr, das vermutlich aus einem Arsenal der Guardia Civil gestohlen worden war.
Lloyd, Lenny und Dave waren eine Zeit lang voneinander getrennt worden, hatten dann aber im Britischen Bataillon der XV . Internationalen Brigade, das in der bevorstehenden Schlacht eingesetzt werden sollte, wieder zueinander gefunden. Lenny trug nun einen schwarzen Bart und sah zehn Jahre älter aus, als er war. Man hatte ihn zum Sargento ernannt, zum Feldwebel, aber keine Uniform mehr für ihn gehabt. Stattdessen trug er einen blauen Kattunoverall und ein gestreiftes Kopftuch. Er sah aus wie ein Pirat, nicht wie ein Soldat.
»Jedenfalls«, nahm Lenny den Faden wieder auf, »hat dieser Angriff keinen militärischen Grund. Es ist eine politische Sache. In dieser Region hatten immer schon die Anarchisten das Sagen.«
Während seiner kurzen Zeit in Barcelona hatte Lloyd den Anarchismus kennengelernt, den manche als »fröhlich-fundamentalistische Form des Kommunismus« bezeichneten. Offiziere und Soldaten wurden gleich besoldet. Die Speisesäle der großen Hotels waren in Kantinen für die Arbeiter umgewandelt worden, und Kellner gaben einem das Trinkgeld zurück und erklärten freundlich, so etwas sei demütigend. Und überall hingen Plakate, auf denen Prostitution als Ausbeutung der weiblichen Genossen verdammt wurde. Im anarchistischen Barcelona hatte eine großartige Atmosphäre der Befreiung und Kameradschaft geherrscht. Die Russen hatten es gehasst.
Lenny fuhr fort: »Die Regierung hat kommunistische Truppen aus Madrid herangeführt. Sie bilden mit uns gemeinsam die Armee des Ostens – unter kommunistischem Oberkommando, versteht sich.«
Solche Worte ließen Lloyd schier verzweifeln. Wenn sie, die Regierungstruppen, diesen Krieg gewinnen wollten, mussten alle linken Gruppierungen zusammenarbeiten wie in der Schlacht in der Cable Street. Doch was war in Spanien geschehen? Im Mai hatten sich Anarchisten und Kommunisten in den Straßen von Barcelona mit Waffengewalt bekämpft.
»Ministerpräsident Negrín ist kein Kommunist«, sagte Lloyd.
»Das macht auch keinen Unterschied.«
»Na ja, er versteht eben,
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