Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
Antwort.«
Wolodja blickte ihn gekränkt an. Offensichtlich war er es nicht gewohnt, dass man seine Erklärungen als »unbefriedigend« bezeichnete. Es war typisch für den Spanischen Bürgerkrieg, dass sämtliche Befehle diskutiert wurden – ein Umstand, den die Russen besonders verabscheuten.
Doch bevor Wolodja etwas erwidern konnte, erschienen zwei weitere Männer und traten zu der Gruppe unter dem Baum. Einer der Neuankömmlinge trug trotz der Hitze eine Lederjacke. Der andere, der das Kommando zu haben schien, war ein hagerer Kerl mit langer Nase und fliehendem Kinn.
Wolodja stieß einen Wutschrei aus. »Die sind viel zu früh!«, sagte er. Dann rief er etwas auf Russisch.
Der hagere Mann blickte kurz zu ihm herüber und winkte ab. »Wer von Ihnen ist Heinz Bauer?«, fragte er dann auf Spanisch mit starkem Akzent.
Niemand antwortete. Der Dürre wischte sich die Nase mit dem Ärmel ab.
In diesem Moment setzte Heinz sich in Bewegung. Er rammte den Mann in der Lederjacke und stieß ihn zu Boden. Als Heinz sich dann zur Flucht wandte, streckte der dürre Mann das Bein aus und brachte ihn zu Fall.
Heinz schlug schwer zu Boden und rutschte ein Stück über die staubige Erde. Einen Moment blieb er benommen liegen, aber diese kurze Zeitspanne genügte seinen Gegnern: Als er sich hochstemmen wollte, stürzten die beiden Russen sich auf ihn und schlugen ihn erneut zu Boden.
Obwohl Heinz sich nicht rührte, droschen und traten die Männer auf ihn ein. Dann zogen sie hölzerne Schlagstöcke ausden Gürteln, stellten sich rechts und links von Heinz auf und schlugen ihm abwechselnd auf Kopf und Körper – ein tödliches, barbarisches Ballett.
Nach wenigen Augenblicken war Heinz’ Gesicht voller Blut. Verzweifelt versuchte er zu entkommen, doch als er sich auf ein Knie hochstemmte, schlugen die Russen ihn erneut zu Boden. Wimmernd krümmte er sich zusammen. Er war am Ende, aber die beiden Russen kümmerte das nicht. Erbarmungslos prügelten sie auf ihr hilfloses Opfer ein.
Lloyd riss den dürren Mann zurück, Lenny zerrte den anderen weg. Während Lloyd die Arme um seinen Gegner schlang und ihn hochriss, schlug Lenny seinen Widersacher nieder. Plötzlich hörte Lloyd, wie Wolodja auf Englisch rief: »Keine Bewegung, oder ich schieße!«
Lloyd ließ den Mann los. Ungläubig drehte er sich um. Wolodja hatte seine Waffe gezogen, eine russische Nagant M 1895, und den Hahn gespannt.
»Einen Offizier mit der Waffe zu bedrohen ist in jeder Armee der Welt ein Verbrechen, das eine Kriegsgerichtsverhandlung nach sich zieht«, sagte Lloyd. »Du steckst in großen Schwierigkeiten, Wolodja.«
»Sei kein Narr«, erwiderte Wolodja. »Wann hat ein Russe in dieser Armee zum letzten Mal Ärger bekommen?« Dennoch senkte er die Waffe.
Der Mann in der Lederjacke hob den Schlagstock und wollte sich wieder auf Lenny stürzen, doch Wolodja fuhr ihn an: »Zurück, Berezowski!« Der Mann gehorchte.
Andere Soldaten kamen herbeigerannt, wie magisch angezogen von dem Kampf. Nach wenigen Sekunden hatte sich eine mehr als zwanzigköpfige Gruppe versammelt.
Der dürre Mann richtete den Finger auf Lloyd. In holprigem Englisch sagte er: »Sie haben sich in Angelegenheiten eingemischt, die Sie nichts angehen!«
Lloyd half Heinz auf die Beine. Der Deutsche war von oben bis unten voller Blut und stöhnte vor Schmerz.
»Ihr könnt hier nicht einfach reinmarschieren und Leute zusammenschlagen«, sagte Lloyd zu dem Dürren. »Woher nehmt ihr euch das Recht, verdammt?«
Der Dürre zeigte auf Heinz. »Der da ist ein trotzkistisch-faschistischer Spion.«
»Halt den Mund, Ilja«, sagte Wolodja.
Ilja beachtete ihn nicht. »Er hat Dokumente fotografiert!«
»Und wo sind die Beweise?«, fragte Lloyd mit ruhiger Stimme.
Ilja waren Beweise offensichtlich egal, doch Wolodja seufzte und sagte: »Schaut in seinem Seesack nach.«
Lloyd nickte Mario Rivera zu, einem Corporal. »Geh und sieh nach.« Rivera lief zum Bootshaus und verschwand darin.
Doch Lloyd hatte das ungute Gefühl, dass Wolodja die Wahrheit sagte. Er wandte sich an Ilja. »Selbst wenn Sie recht haben, könnten Sie ein bisschen höflicher sein.«
»Höflicher?«, erwiderte Ilja. »Das hier ist Krieg, keine englische Teeparty.«
»Das mag ja sein, aber ein bisschen mehr Höflichkeit würde Ihnen unnötige Hiebe ersparen.«
Ilja spie etwas auf Russisch hervor, das sich sehr nach einer Beleidigung anhörte.
Rivera kam aus dem Bootshaus zurück. Er hielt eine kleine, teuer aussehende
Weitere Kostenlose Bücher