Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
dass wir ohne die Unterstützung der Russen einpacken können.«
    »Aber heißt das auch, dass wir die Demokratie aufgeben und dem Kommunismus die Herrschaft überlassen müssen?«
    Lloyd nickte. Jede Diskussion über die Regierung endete mit der gleichen Frage: Müssen wir alles tun, was die Sowjets von uns wollen, weil sie die Einzigen sind, die uns Waffen liefern?
    Sie stiegen den Hügel hinunter. »Jetzt genehmigen wir uns erst mal eine schöne Tasse Tee«, sagte Lenny.
    »Oh ja. Mit zwei Stück Zucker bitte.«
    Das war natürlich nur ein Scherz. Sie hatten seit Monaten keinen Tee mehr gesehen.
    Schließlich erreichten sie ihr Lager am Fluss. Lennys Zug hatte mehrere primitive Steingebäude in Beschlag genommen, die vermutlich einst als Kuhstall gedient hatten, bevor der Krieg die Bauern vertrieben hatte. Ein Stück den Fluss hinauf hatten sich mehrere Deutsche der XI . Internationalen Brigade ein Bootshaus unter den Nagel gerissen.
    Lloyd und Lenny wurden von Lloyds Cousin Dave Williams empfangen. Wie Lenny war auch Dave in nur einem Jahr um zehn Jahre gealtert. Er war hager und zäh, seine Haut braun gebrannt und staubig. Er trug ein Khakihemd und eine Hose aus dem gleichen Stoff, dazu eine lederne Gürteltasche und halbhohe Stiefel. Das war die Standarduniform, die aber nur bei wenigen Soldaten vollständig war. Um den Hals hatte er sich ein rotes Tuch geschlungen. Seine Waffe war ein russisches Gewehr vom Typ Mosin-Nagant mit einem altmodischen, eingeklappten Lanzenbajonett, und am Gürtel steckte eine deutsche 9-mm-P08, die er vermutlich einem gefallenen Rebellenoffizier abgenommen hatte. Die Waffen waren gut gepflegt.
    »Wir haben Besuch«, verkündete Dave aufgeregt.
    »Besuch?«
    »Ja, eine Frau. Da hinten!«
    Im Schatten einer schiefen Pappel umringten ein gutes Dutzend deutscher und britischer Soldaten eine umwerfend schöne Frau.
    »Oh, Duw« , sagte Lenny. Unbewusst hatte er das walisische Wort für »Gott« verwendet. »Welch Wohltat für meine wunden Augen.«
    Die Frau war Mitte zwanzig, zierlich und klein. Sie hatte große, ausdrucksstarke Augen, und auf ihrem hochgesteckten schwarzen Haar saß eine Schirmmütze. Aus irgendeinem Grund wirkte die weite Uniform wie ein Abendkleid an ihr.
    »Das ist Teresa«, sagte ein Freiwilliger namens Heinz, der wusste, dass Lloyd seine Sprache verstand. »Sie ist hier, um uns das Lesen beizubringen.«
    Lloyd nickte. Die Internationalen Brigaden bestanden aus ausländischen Freiwilligen und spanischen Soldaten, und besonders unter den Spaniern gab es viele Analphabeten. In ihrer Kindheit hatten sie in ihren Dorfschulen, die von der katholischen Kirche geleitet worden waren, nur den Katechismus heruntergebetet. Viele Priester lehrten die Kinder das Lesen schon deshalb nicht, damit sie später keine »gottlosen« sozialistischen Bücher lasen. Dies hatte zur Folge, dass in der Zeit der Monarchie nur etwa die Hälfte der Bevölkerung lesen und schreiben konnte. Die 1931 gewählte republikanische Regierung hatte das Erziehungssystem zwar verbessert; dennoch waren Millionen von Spaniern noch immer Analphabeten, und selbst an der Front wurde der Unterricht weitergeführt.
    Die Männer schlossen sich der Gruppe an, die sich um Teresa versammelt hatte.
    »Ich kann auch nicht lesen«, verkündete Dave, was eine glatte Lüge war.
    »Ich erst recht nicht«, sagte Joe Eli, der an der Columbia University in New York spanische Literatur lehrte.
    Teresa sprach spanisch. Ihre Stimme war tief und sehr sexy. »Was glauben Sie, wie oft ich diesen Witz schon gehört habe?«
    Lenny trat näher an sie heran. »Ich bin Sargento Griffiths«, sagte er. »Ich werde tun, was ich kann, um Ihnen zu helfen.« Seine Worte waren unverfänglich, aber sein Tonfall machte sie zu einem unverhohlenen Flirtversuch.
    Teresa schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln. »Sehr freundlich von Ihnen.«
    Lloyd sagte in seinem besten Spanisch: »Ich bin froh, dass Sie hier sind, Señorita.« Er hatte in den letzten Monaten viel Zeit damit verbracht, die Sprache zu lernen. »Ich bin Teniente Williams. Ich kann Ihnen genau sagen, wer von uns den Unterricht gebrauchen kann und wer nicht.«
    Lenny winkte ab. »Der Teniente muss jetzt erst einmal nach Bujaraloz, um unsere Befehle abzuholen.« In Bujaraloz, einer Kleinstadt in der Nähe ihres Lagers, hatten die Regierungsstreitkräfteihr Hauptquartier. »Vielleicht sollten wir beide uns bei nächster Gelegenheit nach einem geeigneten Ort für den Unterricht umsehen,

Weitere Kostenlose Bücher