Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
waren dermaßen erregend, dass Daisy nahe daran war, sich selbst zu befriedigen.
Um fünf trank sie eine Tasse Kaffee, wusch sich das Haar und nahm ein langes Bad. Sie rasierte sich die Unterarme und stutzteihr Schamhaar, das zu üppig wuchs. Dann trocknete sie sich ab, rieb sich am ganzen Körper mit einer leichten Lotion ein und schlüpfte in frische Unterwäsche.
Anschließend probierte sie ihre gesamte Garderobe an. Es gefiel ihr, wie sie in dem Kleid mit den feinen blau-weißen Streifen aussah, aber es hatte vorn kleine Knöpfe, mit denen Lloyd ewig beschäftigt sein würde, und so lange wollte und konnte sie nicht warten. Ich denke wie eine Hure, dachte sie und wusste nicht, ob sie lächeln oder sich schämen sollte. Am Ende entschied sie sich für ein schlichtes knielanges Kleid aus pfefferminzgrünem Kaschmir, das ihre wohlgeformten Beine sehen ließ.
Daisy musterte sich in dem schmalen Spiegel an der Innenseite der Kleiderschranktür. Sie sah gut aus.
Als sie sich auf die Bettkante setzte, um ihre Strümpfe anzuziehen, kam Boy ins Zimmer.
Für einen Moment wurde Daisy schwarz vor Augen. Hätte sie nicht gesessen, wäre sie umgekippt. Sie starrte ihn an und bekam kein Wort heraus.
»Überraschung!«, rief er fröhlich. »Ich bin einen Tag eher da!«
»Ja …«, sagte sie, als sie wieder sprechen konnte. »Das ist wirklich eine Überraschung.«
Boy beugte sich vor und küsste sie. Daisy hatte es nie gemocht, wenn er ihr die Zunge in den Mund steckte, denn er schmeckte meist nach Alkohol und Zigarren. Doch ihm schien Daisys Abneigung nichts auszumachen, im Gegenteil; er schien sie zu genießen. Diesmal aber erwiderte Daisy den Kuss, von lustvollen Gedanken an Lloyd getrieben.
»Himmel!« Boy schnappte nach Luft. »Du hast wohl Frühlingsgefühle.«
Du machst dir keine Vorstellung, dachte Daisy.
»Die Übung wurde einen Tag vorverlegt«, sagte er. »Ich hatte keine Gelegenheit, dich zu verständigen.«
»Dann bleibst du über Nacht?«
»Ja.«
Und Lloyd brach morgen früh auf! Daisy hätte heulen können.
»Du scheinst dich nicht besonders zu freuen.« Boy warf einen Blick auf ihr Kleid. »Sag mal, hattest du etwas vor?«
»Was sollte ich denn vorhaben?«, erwiderte sie und fügte ironisch hinzu: »Einen vergnüglichen Abend im Two Crowns zu verbringen?«
Boy zeigte sich unbeeindruckt. »Wo wir gerade davon reden, genehmigen wir uns doch einen Schluck.« Er verließ das Zimmer und machte sich auf die Suche nach etwas Trinkbarem.
Daisy vergrub das Gesicht in den Händen. Ihr Plan war ruiniert. Jetzt musste sie einen Weg finden, Lloyd zu warnen. Sie konnte ihm ihre Liebe nicht im Vorbeigehen zuflüstern, während Boy hinter der nächsten Ecke wartete.
Daisy tröstete sich mit dem Gedanken, dass der Plan einfach verschoben wurde. Schließlich ging es nur um ein paar Tage; Lloyd kehrte am kommenden Dienstag zurück. Die Verzögerung war schmerzlich, aber sie würde es überleben, und ihre Liebe ebenfalls.
Sie zog sich Strümpfe und Schuhe an und ging in das kleine Wohnzimmer.
Boy hatte eine Flasche Scotch und zwei Gläser aufgetrieben. Daisy trank einen Whisky, um die innere Anspannung zu lösen.
»Wie ich gesehen habe, macht das Mädchen eine Fischpastete zum Abendessen«, sagte Boy. »Ich stehe kurz vor dem Verhungern. Kocht sie gut?«
»Nicht besonders. Aber ihr Essen ist genießbar, wenn man Hunger hat.«
»Na ja, wenigstens haben wir Whisky«, sagte er und schenkte sich nach.
»Wo bist du gewesen?« Daisy war verzweifelt darauf aus, dass er redete, damit sie den Mund halten konnte. »Bist du nach Norwegen geflogen?«
»Gott sei Dank nicht. Norwegen ist ein Fiasko. Heute Abend findet im Unterhaus eine große Debatte darüber statt. Die Deutschen sind auf der Siegerstraße, weil die britischen und französischen Befehlshaber einen Fehler nach dem anderen begehen.«
Als das Abendessen fertig war, ging Boy in den Keller, um Wein zu holen. Daisy sah ihre Chance gekommen, Lloyd zu verständigen. Aber wo steckte er? Sie blickte auf die Armbanduhr. Halb acht. Vermutlich war Lloyd beim Abendessen im Kasino, aber dort konnte sie ihn nicht aufsuchen. Sie konnte ja schlecht zu ihm gehen und ihm ins Ohr flüstern, während er mit seinen Offizierskameraden am Tisch saß. Konnte sie ihn irgendwie ausdem Kasino locken? Daisy zermarterte sich das Hirn, doch ehe ihr etwas einfiel, kam Boy zurück und hielt triumphierend eine Flasche Dom Pérignon in die Höhe. »1921er«, sagte er. »Ihr erster
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