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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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dem man etwas bedeutete. Lloyds Schmerz jedenfalls hatte ihr Herz berührt, und sie liebte ihn dafür umso mehr.
    Eines Abends sagte er ihr, dass er Urlaub genommen habe. Er fuhr in ein Seebad namens Bournemouth an der Südküste, wo am zweiten Maiwochenende die Jahresversammlung der Labour Party stattfinden sollte. Seine Mutter sei ebenfalls dort, sagte er, und fügte erwartungsvoll und ängstlich zugleich hinzu: »Dann habe ich endlich die Gelegenheit, sie nach meiner Herkunft zu fragen.«
    Major Lowther hätte sich mit Sicherheit geweigert, ihn gehen zu lassen, doch Lloyd hatte im März mit Colonel Ellis-Jones gesprochen, von dem er zu dieser Schulung abkommandiert worden war. Der Colonel mochte Lloyd, oder er sympathisierte mit der Labour Party, vielleicht auch beides. Jedenfalls erteilte er Lloydeine Erlaubnis, die Lowther nicht außer Kraft setzen konnte. Falls natürlich vorher die Wehrmacht in Frankreich einfiel, war für alle der Urlaub gestrichen.
    Die Aussicht, Lloyd könne Aberowen verlassen, ohne zu wissen, dass sie ihn liebte, versetzte Daisy in eine merkwürdige Furcht. Sie beschloss, ihm ihre Gefühle zu offenbaren, ehe er aufbrach.
    Lloyd sollte am Mittwoch abreisen und sechs Tage später wiederkommen. Zufällig hatte Boy seinen Besuch angekündigt; er wollte am Mittwochabend eintreffen. Daisy war froh, dass Lloyd dann nicht da war, denn aus Gründen, die sie nicht benennen konnte, hätte es sie gestört, wenn beide Männer gleichzeitig auf Tŷ Gwyn gewesen wären.
    Sie beschloss, Lloyd am Dienstagabend ihre Liebe zu gestehen, am Tag vor seiner Abreise. Was sie Boy am Tag darauf sagen würde, wusste sie noch nicht.
    Als Daisy sich das Gespräch ausmalte, das sie mit Lloyd führen würde, hoffte sie insgeheim, dass er sie küssen würde und dass sie beide dann von ihren Gefühlen davongerissen wurden und die ganze Nacht leidenschaftlich in den Armen des anderen lagen.
    Aber so weit durfte es nicht kommen. Um ihrer beider willen durfte Lloyd nicht dabei beobachtet werden, wie er am Morgen ihr Zimmer verließ. Lowthie war bereits misstrauisch; Daisy merkte es deutlich. Er schien sogar eifersüchtig zu sein. Auf jeden Fall war Vorsicht angebracht.
    Es war besser, wenn Lloyd und sie sich woanders zu ihrem schicksalhaften Gespräch trafen, am besten im Westflügel. Lloyd konnte bei Tagesanbruch gehen; wenn jemand ihn sah, wusste der Betreffende nicht, dass er mit ihr zusammen gewesen war. Sie konnte später angekleidet das Zimmer verlassen und vorgeben, nach irgendetwas gesucht zu haben.
    Am Dienstagmorgen um neun, als Lloyd und seine Kameraden die Kurse besuchten, ging Daisy mit mehreren Parfümflakons mit angelaufenen Silberverschlüssen und einem dazu passenden Handspiegel über den Flur im oberen Stockwerk. Schon jetzt wurde sie von Schuldgefühlen geplagt. Der Teppich war entfernt worden, und ihre Schuhe pochten laut auf den Bodendielen, als wollten sie das Nahen einer Sünderin ankündigen. Zum Glück hielt sich niemand in den Zimmern auf.
    Daisy ging zur Gardeniensuite, die nun als Lagerraum für Bettzeug diente, wie sie sich verschwommen erinnerte. Niemand war auf dem Gang, als sie die Suite betrat. Rasch schloss sie die Tür hinter sich.
    Ihre Erinnerung hatte sie nicht getrogen: Im ganzen Zimmer stapelten sich an der mit Gardenien bedruckten Tapete saubere Laken, Decken und Kopfkissen, in grobe Baumwolle eingewickelt und mit Kordeln verschnürt wie riesige Pakete.
    Der Raum roch muffig, und Daisy öffnete ein Fenster. Die ursprüngliche Einrichtung war noch vorhanden: ein Bett, ein Schrank, eine Kommode, ein Sekretär und ein nierenförmiger Frisiertisch mit drei Spiegeln. Daisy stellte die Flakons, die sie mitgebracht hatte, auf den Frisiertisch und bezog das Bett mit frischer Wäsche, die sie von einem der Stapel nahm. Die Laken fühlten sich glatt und kühl an.
    Daisy lächelte. Sie hatte für sich und ihren Geliebten das Bett bereitet. Sie schaute auf die weißen Kissen und rosa Bettdecken mit ihren Satinrändern und sah sich und Lloyd, eng umschlungen, die Haut schimmernd vor Schweiß, wie sie sich leidenschaftlich liebten. Der Gedanke erregte sie so sehr, dass sie weiche Knie bekam.
    Plötzlich hörte sie Schritte vor der Tür. Wer konnte das sein? Vielleicht Morrison, der alte Diener, auf dem Weg zu einer tropfenden Dachrinne oder gesprungenen Fensterscheibe? Mit pochendem Herzen wartete sie und atmete erleichtert auf, als die Schritte sich entfernten.
    Der Schreck hatte ihre Erregung für

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