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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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doch beide im Merkur-Fahrradklub. Wir lassen uns welche für eine Radtour ausstellen.« Es war genau das, was die Nazis sich von der Jugend wünschten: körperliche Aktivitäten an der frischen Luft.
    »Kommen wir denn in das Krankenhaus rein?«
    »Wir können es versuchen.«
    »Wenn ihr mich fragt«, warf Werner ein, »ich finde, wir sollten die ganze Sache sein lassen.«
    Carla war überrascht. »Was meinst du damit?«
    »Du hast doch Pastor Ochs gesehen. Er ist nur noch ein Häuflein Elend. Das ist zu gefährlich, Carla. Ihr könntet verhaftet und gefoltert werden. Und Axel und Kurt bringt ihr auch nicht zurück.«
    Carla starrte ihn ungläubig an. »Du willst, dass wir aufgeben?«
    »Ihr müsst aufgeben. Ihr redet, als wäre Deutschland noch immer ein freies Land. Sie werden euch umbringen!«
    »Wir müssen etwas riskieren, sonst erreichen wir nichts«, widersprach Carla.
    »Dann lasst mich da raus«, sagte Werner. »Ich habe auch einen Besuch von der Gestapo bekommen.«
    Carla wurde blass. »Mein Gott. Und was ist passiert?«
    »Bis jetzt haben sie mir nur gedroht. Aber wenn ich weiter Fragen stelle, wird man mich an die Front versetzen.«
    »Da hast du ja noch Glück gehabt.«
    »Es ist schlimm genug.«
    Die Mädchen schwiegen ein paar Augenblicke; dann sprach Frieda aus, was Carla dachte. »Die Sache ist wichtiger als dein Posten. Das musst du doch verstehen.«
    »Sag du mir nicht, was ich verstehen muss und was nicht!«, entgegnete Werner. Doch er spielte nur den Wütenden; in Wahrheit schämte er sich. »Deine Karriere steht ja nicht auf dem Spiel. Und euch hat die Gestapo ja noch nicht besucht.«
    Carla staunte. Sie hatte geglaubt, Werner zu kennen. Sie hätte die Hand dafür ins Feuer gelegt, dass er in dieser Sache genauso dachte wie sie. »Aber sie waren bei uns«, sagte sie. »Sie haben meinen Vater verhaftet.«
    Frieda war entsetzt. »Oh nein!«
    »Wir können nicht herausfinden, wo er ist«, fügte Carla betrübt hinzu.
    Werner zeigte kein Mitleid. »Dann wärt ihr besser beraten, die Gestapo nicht mehr zu provozieren«, sagte er. »Sie hätten auch dich verhaften können. Aber Macke scheint Mädchen nicht für gefährlich zu halten.«
    Carla kämpfte gegen die Tränen an. Sie hatte sich beinahe schon in Werner verliebt, und jetzt entpuppte er sich als Feigling.
    »Willst du damit sagen, du hilfst uns nicht?«, fragte Frieda.
    »Ja.«
    »Weil du deinen Posten behalten willst?«
    »Nein, weil es sinnlos ist. Ihr könnt sie nicht besiegen.«
    Carla war bitter enttäuscht. So ein Jammerlappen! »Wir können das doch nicht einfach weiter zulassen!«
    »Offener Widerstand ist Wahnsinn. Es gibt andere Möglichkeiten, sich zu widersetzen.«
    »Und welche?«, wollte Carla wissen. »Langsam und von innen heraus, wie es auf diesen Flugblättern steht? Das wird diese Leute bestimmt nicht davon abhalten, behinderte Kinder umzubringen.«
    »Sich gegen die Regierung zu stellen ist Selbstmord!«
    »Und alles andere ist Feigheit!«
    »Ich werde mich nicht von zwei dummen kleinen Mädchen verurteilen lassen!« Mit diesen Worten stapfte Werner davon.
    Carla kämpfte mit den Tränen. Vor den gut zweihundert Leuten, die im Sonnenschein vor der Kirche standen, durfte sie nicht weinen. »Ich dachte, er wäre anders«, sagte sie leise.
    Frieda war ebenso enttäuscht. »Das ist er auch. Ich kenne ihn mein Leben lang. Es muss einen anderen Grund für sein Verhalten geben. Er verschweigt uns irgendetwas.«
    Carlas Mutter trat auf sie zu. Sie bemerkte nicht, wie aufgewühlt Carla war, so tief war ihre eigene Verzweiflung. »Niemandweiß etwas«, sagte sie, den Tränen nahe. »Ich kann einfach nicht herausfinden, wo Vater festgehalten wird.«
    »Wir versuchen es weiter«, erwiderte Carla. »Hatten wir nicht noch Freunde in der amerikanischen Botschaft?«
    »Bekannte. Ich habe sie schon gefragt, aber sie hatten auch keine Information für mich.«
    »Dann fragen wir sie morgen eben noch einmal.«
    »O Gott, vermutlich sind eine Million deutsche Ehefrauen in der gleichen Situation wie ich.«
    Carla nickte. »Lass uns nach Hause gehen, Mutter.«
    Langsam und schweigend machten sie sich auf den Heimweg, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Carla war wütend auf Werner, und dies umso mehr, da sie sich auf so schreckliche Weise in seinem Charakter getäuscht hatte. Wie hatte sie sich in einen so schwachen Menschen verlieben können?
    Sie kamen in ihrer Straße an. »Gleich morgen früh gehe ich zur amerikanischen Botschaft«,

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