Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
vorausgesetzt, die Sowjetunion hatte so lange Bestand. Als Alternative wäre er gern auf einen anderen Auslandsposten gewechselt. Nach Washington, zum Beispiel. Wolodja hatte immer schon einmal Amerika sehen wollen.
    Er zog ein zerknülltes Papiertaschentuch aus der Tasche und warf es in einen Mülleimer. Eine Minute vor drei zündete er sich eine Zigarette an, obwohl er nicht rauchte. Das brennende Streichholz warf er so in den Mülleimer, dass es genau auf dem Papiertaschentuch landete. Dann ging er davon.
    Augenblicke später rief jemand: »Feuer!«
    In dem Moment, als alle auf die Flammen starrten, die aus dem Mülleimer schlugen, hielt ein Taxi vor dem Kaufhaus, ein schwarzer Mercedes 260D. Ein gut aussehender junger Mann in der Uniform eines Luftwaffenoberleutnants sprang heraus. Noch während der Oberleutnant den Fahrer bezahlte, stieg Wolodja in den Wagen und knallte die Tür hinter sich zu.
    Auf dem Boden des Taxis, wo der Fahrer sie nicht sehen konnte,lag eine Kopie des Stürmer , der übelsten Hetzzeitung der Nazis. Wolodja hob die Zeitung auf, las sie aber nicht.
    »Irgendein Trottel hat einen Mülleimer in Brand gesteckt«, sagte der Fahrer.
    Wolodja ging nicht auf die Bemerkung ein. »Zum Adlon, bitte«, sagte er, und das Taxi fuhr los.
    Wolodja blätterte durch die Zeitung. Zwischen den Seiten steckte ein beigefarbener Umschlag. Am liebsten hätte er ihn auf der Stelle geöffnet, zwang sich aber, damit zu warten.
    Am Hotel stieg er aus, ging aber nicht hinein. Stattdessen spazierte er durch das Brandenburger Tor und in den Park dahinter. Die Bäume trugen frische Blätter. Es war ein warmer Frühlingstag, und viele Spaziergänger waren unterwegs.
    Die Zeitung brannte förmlich in Wolodjas Hand. Schließlich fand er eine abgelegene Bank und setzte sich. Er schlug die Zeitung auf, öffnete verstohlen den beigefarbenen Umschlag und zog ein Dokument heraus. Es war ein Durchschlag, getippt und ein wenig verblasst, aber lesbar. Die Überschrift lautete:
    Weisung Nr. 21
    Fall Barbarossa
    Friedrich Barbarossa war der deutsche Kaiser, der im Jahre 1189 den Dritten Kreuzzug angeführt hatte.
    Der Text begann wie folgt:
    Die deutsche Wehrmacht muss darauf vorbereitet sein, auch vor Beendigung des Krieges gegen England Sowjetrussland in einem schnellen Feldzug niederzuwerfen.
    Wolodja schnappte nach Luft. Das war Dynamit! Der Spion in Tokio hatte recht gehabt, und Stalin hatte sich geirrt. Die Sowjetunion schwebte in tödlicher Gefahr.
    Mit pochendem Herzen schaute Wolodja auf das Ende des Dokuments. Es war mit »Adolf Hitler« unterzeichnet.
    Wolodja überflog die Seiten, suchte nach einem Datum und fand schließlich eins. Die Vorbereitungen sollten bis zum 15.5.41 abgeschlossen sein.
    Daneben stand eine Notiz in Werner Francks Handschrift: Der Angriff wurde auf den 22.6. festgelegt.
    »Verdammt, er hat es geschafft«, sagte Wolodja laut. »Er hat den geplanten Überfall bestätigt.«
    Er steckte das Dokument zurück in den Umschlag und schob den Umschlag in die Zeitung.
    Das änderte alles.
    Wolodja stand auf und ging zur sowjetischen Botschaft zurück, um die Information an seine Vorgesetzten weiterzugeben.

    Es gab keinen Bahnhof in Akelberg. Deshalb mussten Carla und Frieda zehn Kilometer früher aussteigen und mit dem Rad weiterfahren.
    Sie trugen kurze Hosen, dünne Pullover und Sandalen, und sie hatten ihr Haar zu Zöpfen geflochten. Sie sahen wie typische BDM -Mädel aus, die häufig Fahrradtouren machten. Ob die Mädchen abends in den spartanischen Jugendherbergen noch etwas anderes taten als Radfahren, war Gegenstand so mancher Spekulation. Die Jungs sagten immer, BDM stehe für »Bubi Drück Mich«.
    Carla und Frieda schauten auf ihre Karte und fuhren dann aus der Stadt in Richtung Akelberg.
    Carla dachte ständig an ihren Vater. Sie würde nie vergessen, wie sie ihn zerschunden und sterbend im Flur gefunden hatten. Sie hatte tagelang geweint. Doch neben der Trauer empfand sie noch etwas anderes: heiße, verzehrende Wut. Sie würde nicht einfach nur trauern. Sie würde etwas tun.
    Maud, die vor Schmerz um Jahre gealtert war, hatte zunächst versucht, Carla von der Fahrt nach Akelberg abzuhalten. »Mein Mann ist tot«, hatte sie mit tränenerstickter Stimme gesagt, »und mein Sohn ist bei der Wehrmacht. Ich will nicht, dass auch noch meine Tochter ihr Leben riskiert.«
    Nach der Beerdigung, als Schock und Hysterie einer stilleren Trauer gewichen waren, hatte Carla ihre Mutter gefragt, was Walter wohl

Weitere Kostenlose Bücher