Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
manchmal können sie einem schrecklich auf die Nerven gehen, aber was soll man machen?«
»Nein, ich meine … Ich mag es nicht, sie zu umarmen und zu küssen.«
»Was? Sei nicht albern.«
»Manche Männer stehen nicht auf Frauen, Woody.«
»Ja, aber dann müsstest du eine Art Tunte sein.«
»Ja.«
»Ja, was?«
»Ja, ich bin eine Art Tunte.«
»Du bist ein Spaßvogel, weißt du das?«
»Ich mache keinen Spaß, Woody. Es ist mir todernst.«
»Du bist schwul? «
»Genau. Ich hab’s mir nicht ausgesucht. Als wir kleiner waren und mit dem Wichsen anfingen, hast du immer an hüpfende Tittenund behaarte Muschis gedacht. Ich hab mir dabei steife Riesenschwänze vorgestellt.«
»Chuck, das ist widerlich!«
»Nein, ist es nicht. So sind manche Männer nun mal. Mehr Männer, als du glaubst – gerade in der Navy.«
»In der Navy gibt es Tunten?«
Chuck nickte nachdrücklich. »Jede Menge.«
»Ja … und wie merkst du das?«
»Normalerweise erkennen wir uns gegenseitig. So wie Juden immer wissen, wer Jude ist. Zum Beispiel der Kellner in dem chinesischen Restaurant.«
»Er war Jude?«
»Nein, er war schwul. Hast du nicht gehört, wie er gesagt hat, dass mein Jackett ihm gefällt?«
»Ja, schon, aber ich hab mir nichts dabei gedacht.«
»Siehst du.«
»Du meinst, er hat sich zu dir hingezogen gefühlt?«
»Ich nehm’s an.«
»Wieso?«
»Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund, aus dem Diana mich mochte. Ich sehe besser aus als du.«
»Das ist … krank.«
»Na komm, gehen wir nach Hause.«
Sie setzten ihren Weg fort. Woody konnte es immer noch nicht fassen. »Du meinst, es gibt chinesische Tunten?«
Chuck lachte. »Klar doch!«
»Also, ich weiß nicht … Man kann irgendwie nicht glauben, dass Chinesen so sein können.«
»Vergiss nicht, kein Wort zu irgendjemandem, erst recht nicht zu unseren Eltern. Gott allein weiß, was Papa dazu sagen würde.«
Nachdem sie eine Zeit lang nebeneinander hergeschlendert waren, legte Woody den Arm um Chucks Schultern.
»Ach, zum Teufel damit«, sagte er. »Hauptsache, du bist kein Republikaner.«
Greg Peshkov fuhr mit Sumner Welles und Präsident Roosevelt auf einem schweren Kreuzer, der Augusta , zur Placentia Bay vor Neufundland. Zu dem Verband gehörten noch das Schlachtschiff Arkansas , der Kreuzer Tuscaloosa und siebzehn Zerstörer.
Sie ankerten in zwei langen, weit voneinander entfernten Linien. Am Samstag, dem 9. August, um neun Uhr morgens traten die Besatzungen aller zwanzig Schiffe in weißer Gesellschaftsuniform auf den Decks an, als das britische Schlachtschiff Prince of Wales eintraf, von drei Zerstörern eskortiert, und majestätisch zwischen die Reihen lief. An Bord war Premierminister Churchill.
Eine beeindruckendere Zurschaustellung von Macht hatte Greg noch nie gesehen, und er war stolz, daran teilzuhaben.
Zugleich war er besorgt. Hoffentlich wussten die Deutschen nichts von diesem Treffen. Wenn sie es erfahren hatten, genügte ein U-Boot, um die beiden führenden Männer der westlichen Zivilisation – oder was davon übrig war – zu töten, und Greg Peshkov gleich dazu.
Vor seiner Abreise aus Washington hatte Greg sich noch einmal mit Tom Cranmer getroffen, dem Detektiv. Cranmer hatte ihm eine Adresse gegeben, ein Haus in einer schäbigen Gegend auf der anderen Seite der Union Station. »Sie ist Kellnerin im Frauenclub der Universität am Ritz-Carlton«, hatte er gesagt, als er sich den Rest seines Honorars einsteckte. »Wahrscheinlich haben Sie sie deshalb zweimal in dieser Gegend gesehen. Ich nehme an, die Schauspielerei hat sich für sie nicht ausgezahlt – aber sie nennt sich noch immer Jacky Jakes.«
Greg schrieb ihr einen Brief.
Liebe Jacky!
Ich möchte zu gern wissen, weshalb Du mich damals vor sechs Jahren verlassen hast. Ich dachte, wir wären glücklich miteinander, aber ich muss mich getäuscht haben. Trotzdem lässt es mich nicht los.
Du warst verängstigt, als Du mich gesehen hast, nicht wahr? Aber Du hast von mir nichts zu befürchten. Ich bin nicht wütend, nur neugierig. Ich würde Dir niemals wehtun. Du warst das erste Mädchen, das ich je geliebt habe.
Können wir uns treffen, nur auf eine Tasse Kaffee, und miteinander reden?
Dir sehr verbunden,
Greg Peshkov
Er hatte seine Adresse daruntergesetzt und den Brief an dem Tag in den Kasten geworfen, an dem er nach Neufundland aufbrach.
Der Präsident hoffte darauf, dass die Konferenz zu einer gemeinsamen Erklärung führte. Sumner Welles, Gregs Chef, formulierte
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