Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
passt als ich.«
Ihrem Tonfall entnahm Woody, dass sie keineswegs voller Wärme an ihren einstigen Geliebten zurückdachte. Woody war hochzufrieden darüber, auch wenn er nicht hätte sagen können, wieso.
Er lehnte sich im warmen Sand zurück und stützte sich auf den Ellbogen. Wenn Joanne einen festen Freund hatte, würde sie das eher früher als später erwähnen, so viel stand fest.
»Apropos Außenministerium«, sagte Woody, »arbeitest du da noch immer?«
»Ja. Ich bin Assistentin des Staatssekretärs, der für europäische Fragen zuständig ist.«
»Interessant.«
»Im Moment auf jeden Fall.«
Woody blickte auf die Stelle, wo ihr Badeanzug ihre Schenkel bedeckte. Ein Mädchen konnte so wenig tragen, wie sie wollte – ein Mann dachte immer an jene Körperteile, die verdeckt waren. Woody bekam eine Erektion und rollte sich auf den Bauch, damit keiner es sah.
Doch Joanne war nicht entgangen, wohin er blickte. »Gefällt dir mein Badeanzug?«, fragte sie geradeheraus. Das war eine der Eigenschaften, die Woody so sehr zu ihr hinzogen.
Er beschloss, genauso offen zu sein. » Du gefällst mir, Joanne. Du hast mir immer gefallen.«
Sie lachte. »Bloß nicht um den heißen Brei herumreden, was?«
Ringsum packten die Leute ihre Sachen. »Wir sollten lieber aufbrechen«, sagte Diana.
»Wir wollten auch gerade gehen«, sagte Woody. »Sollen wir zusammen zurückfahren?«
Das war der Augenblick, in dem Joanne ihn höflich hätte abweisen können, indem sie einfach sagte: Ach nein, danke, geht schon mal. Stattdessen antwortete sie: »Klar, warum nicht?«
Die Mädchen zogen sich Kleider über die Badeanzüge und warfen ihr Zeug in zwei Taschen; dann gingen sie gemeinsam den Strand entlang.
Der Zug war mit Ausflüglern vollgestopft – sonnenverbrannt,hungrig und durstig. Woody kaufte am Bahnhof vier Cola und teilte sie aus, als der Zug abfuhr.
»Du hast mir mal an einem heißen Tag in Buffalo eine Cola spendiert, Woody, erinnerst du dich noch?«, fragte Joanne.
»Ja, natürlich. Bei dieser Kundgebung.«
»Wir waren noch richtige Kinder.«
»Cola spendieren ist eine der Taktiken, die ich bei schönen Frauen anwende.«
Sie lachte. »Mit Erfolg?«
»Hat mir nie einen einzigen Kuss eingebracht.«
Sie hob die Flasche zum Toast. »Nur nicht aufgeben.«
Woody horchte auf. Sollte das eine Ermutigung sein? »Habt ihr Lust auf einen Hamburger, wenn wir wieder in der Stadt sind?«, fragte er. »Und einen Kinobesuch?«
Das war der Augenblick, in dem Joanne hätte antworten können: Nein, danke, ich treffe mich später mit meinem Freund.
Diana sagte rasch: »Ja, gern. Und du, Joanne?«
»Sicher.«
Sie hatte keinen Freund – und nun waren sie verabredet! Woody konnte seine Begeisterung kaum verbergen. »Wir könnten uns Die Braut kam per Nachnahme anschauen«, sagte er. »Soll ganz lustig sein.«
»Wer spielt mit?«, fragte Joanne.
»James Cagney und Bette Davis.«
»Au ja, den würde ich gern sehen.«
»Ich auch«, sagte Diana.
»Abgemacht«, sagte Woody.
Chuck murrte: »›Wie sieht es mit dir aus, Chuck? Würdest du den Film gern sehen?‹ – ›Oh, sicher! Für mein Leben gern. Nett, dass du fragst, großer Bruder.‹«
Besonders lustig war es nicht, aber Diana kicherte anerkennend.
Bald darauf schlief Joanne ein. Zu Woodys Entzücken sank ihr Kopf an seine Schulter. Ihr dunkles Haar kitzelte ihn am Hals, und er spürte ihren warmen Atem auf der Haut unter dem kurzen Ärmel seines Polohemds. Er konnte sein Glück kaum fassen.
Sie trennten sich an der Union Station, fuhren nach Hause, um sich umzuziehen, und trafen sich an einem chinesischen Restaurant in der Innenstadt wieder.
Bei Chow mein und Bier redeten sie über Japan. Alle redeten über Japan. »Die Schlitzaugen müssen aufgehalten werden«, sagte Chuck. »Das sind Faschisten.«
»Schon möglich«, meinte Woody.
»Sie sind militaristisch und aggressiv. Und wie sie die Chinesen behandeln, ist rassistisch. Was müssen sie denn noch alles tun, um als Faschisten durchzugehen?«
»Im Grunde sind sie keine Faschisten«, entgegnete Joanne. »Der Unterschied liegt in ihrer Sicht der Zukunft. Echte Faschisten wollen ihre Feinde umbringen und dann eine radikal neue Gesellschaft entstehen lassen. Die Japaner tun zwar das Gleiche, nur geht es ihnen darum, die traditionellen Machtgruppen zu schützen, die Militärkaste und den Kaiser. Aus dem gleichen Grund ist auch Spanien nicht im eigentlichen Sinne faschistisch: Franco mordet für die katholische
Weitere Kostenlose Bücher