Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
gehabt. »Das ist ja wie Tontaubenschießen, Genosse Hauptmann«, sagte der Schütze. »So leicht!« Einer der Männer hatte die Küche geplündert und einen großen Eimer Eiscreme gefunden, der auf wundersame Weise unbeschädigt geblieben war, und den verleibten Wolodjas Männer sich nun ein.
    Wolodja schaute aus dem zerstörten Fenster des Cafés auf die Straße. Er sah ein weiteres Fahrzeug herankommen – wieder einen Kübelwagen, nahm er an. Dahinter liefen mehrere Männer. Als sie näher kamen, erkannte er die deutschen Uniformen. Und es kamen immer mehr. Es waren Dutzende, vielleicht Hunderte. Und sie waren auch für das Geräusch verantwortlich, das Wolodja für jubelnde Fußballzuschauer gehalten hatte.
    Der MG -Schütze richtete die Waffe auf das näher kommende Fahrzeug, doch Wolodja legte ihm die Hand auf die Schulter. »Warte«, sagte er.
    Er starrte in den Schneesturm hinaus, und seine Augen brannten. Er sah immer mehr Fahrzeuge und Männer, sogar ein paar Pferde.
    Ein Soldat hob das Gewehr. »Nicht schießen«, befahl Wolodja. Die Deutschen kamen näher. »Die können wir nicht aufhalten. In einer Minute haben sie uns überrannt«, sagte er. »Lasst sie vorbei. Deckung.« Die Männer warfen sich flach auf den Boden. Der MG -Schütze nahm das Maschinengewehr vom Tisch, und Wolodja setzte sich unter das Fenster und spähte vorsichtig hinaus.
    Das Geräusch wuchs zu einem Grollen an. Die vordersten Männer erreichten das Café und zogen vorbei. Sie liefen, stolperten und humpelten. Einige trugen Gewehre, die meisten schienen ihre Waffen jedoch verloren zu haben. Ein paar von ihnen hatten Mäntel und Mützen, andere nur ihre Uniformjacken. Viele waren verwundet. Wolodja sah, wie ein Mann mit verbundenem Kopf zu Boden stürzte. Er kroch ein paar Meter und brach dann endgültig zusammen. Niemand kümmerte sich um ihn. Ein Kavallerist trampelte über ihn hinweg und galoppierte davon. Kübel- und Stabswagen rasten durch die Menge, schleuderten gefährlich auf dem Eis, hupten wild und trieben die Männer in den Straßengraben.
    Das ist Panik, erkannte Wolodja. Sie liefen zu Tausenden davon. Sie waren auf der Flucht!
    Endlich, endlich wurden die Deutschen zurückgetrieben.

K A P I T E L  1 1
    1941 (IV)
    Woody Dewar und Joanne Rouzrokh reisten mit einem Boeing-314-Clipper vom kalifornischen Oakland nach Honolulu. Vierzehn Stunden brauchte die Pan-Am-Maschine für die Reise.
    Kurz vor ihrer Ankunft hatten sie einen heftigen Streit. Der Auslöser war möglicherweise, dass sie viel Zeit auf beengtem Raum verbringen mussten: Das Flugboot gehörte zwar zu den größten Maschinen der Welt, aber die Passagiere saßen in einer von sechs kleinen Kabinen, die aus jeweils zwei gegenüberliegenden Reihen zu vier Sitzen bestanden.
    »Ich fahre lieber mit dem Zug«, sagte Woody und schlug mit einiger Mühe seine langen Beine übereinander. Joanne ersparte sich netterweise den Hinweis, dass man mit dem Zug nicht nach Hawaii kam.
    Die Reise war die Idee von Woodys Eltern. Sie hatten beschlossen, Urlaub auf Hawaii zu machen, um Woodys jüngeren Bruder Chuck zu besuchen, der dort stationiert war. Dann hatten sie Woody und Joanne eingeladen, in der zweiten Urlaubswoche zu ihnen zu stoßen.
    Die beiden waren inzwischen verlobt. Woody hatte Joanne am Ende des Sommers, nach vier Wochen heißen Wetters und leidenschaftlicher Liebe in Washington, einen Heiratsantrag gemacht. Anfangs hatte Joanne es für zu früh gehalten, hatte Woodys Drängen dann aber nachgegeben; schließlich, hatte er erklärt, liebe er sie seit sechs Jahren. Im kommenden Juni, nach Woodys Studienabschluss in Harvard, wollten sie heiraten. Und da sie bereits verlobt waren, stand einem gemeinsamen Familienurlaub nichts im Weg.
    Das Flugzeug ging in den Sinkflug, als sie sich Oahu näherten, der größten Insel Hawaiis. Sie sahen bewaldete Berge und verstreute Dörfer im Tiefland – ein grünes Juwel auf blauem Samt,umschlossen von weißem Sandstrand und silberner Brandung. »Ich habe mir einen neuen Badeanzug gekauft«, sagte Joanne. Sie saßen nebeneinander, und die vier 14-Zylinder-Motoren vom Typ Wright Twin Cyclone dröhnten zu laut, als dass sie belauscht werden konnten.
    Woody las gerade Früchte des Zorns; nun legte er das Buch beiseite. »Ich kann nicht abwarten, dich darin zu sehen«, sagte er. »Du bist der Traum jedes Bademodenherstellers.«
    Sie blickte ihn unter halb geschlossenen Lidern an, und ihre dunkelbraunen Augen schienen zu glühen.

Weitere Kostenlose Bücher