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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Joanne. Die Matrosen kämpften sich das steil in die Höhe geneigte Deck hinauf und sprangen über die Steuerbordreling in dem verzweifelten Versuch, sich zu retten. Siewaren sogar noch die Glücklichen der Besatzung, erkannte Chuck, als das Schiff sich mit einem lauten, dumpfen Stöhnen wie ein urzeitliches Ungetüm auf den Rücken drehte und zu sinken begann. Schaudernd dachte Chuck daran, wie viele hundert Männer unter Deck in einer tödlichen Falle saßen.
    »Alles festhalten!«, brüllte er, als eine gewaltige Welle heranbrauste, die von der kenternden Oklahoma erzeugt worden war. Rosa packte Gus, während Woody Joanne festhielt. Dann war die Welle heran. Das Boot wurde in die Höhe gerissen, unmittelbar gefolgt von einem Sturz in die Tiefe. Chuck taumelte, bekam aber die Reling zu fassen. Die Barkasse blieb über Wasser. Kleinere Wellen folgten und schüttelten sie durch, stellten aber keine unmittelbare Gefahr mehr dar. Vorerst waren sie in Sicherheit.
    Und doch trennte sie noch immer eine lange Viertelmeile vom Ufer, erkannte Chuck zu seinem Schrecken.
    Erstaunlicherweise setzte sich die Nevada , die gleich zu Beginn des Angriffs beschossen worden war, in Bewegung. Jemand musste die Geistesgegenwart besessen haben, allen Schiffen den Befehl zum Auslaufen zu signalisieren. Wenn sie aus dem Hafenbecken herauskamen, konnten sie sich auffächern und bildeten weniger einfache Ziele.
    Dann ertönte in der Schlachtschiff-Allee ein Knall, der zehnmal lauter war als alles, was sie bisher gehört hatten. Die Explosion war so gewaltig, dass Chuck die Druckwelle wie einen Schlag gegen die Brust spürte, obwohl er mittlerweile eine halbe Meile entfernt war. Aus dem Geschützturm Nr. 2 der Arizona brach eine riesige Flamme hervor. Einen Sekundenbruchteil später schien die vordere Hälfte des Schiffes zu platzen. Trümmer stoben in die Luft. Verdrillte Stahlträger und verbogene Rumpfplatten stiegen mit albtraumhafter Langsamkeit im Rauch auf wie angesengte Blätter bei einem Gartenfeuer. Qualm und Flammen hüllten den Bug des Schiffes ein. Der hohe Mast neigte sich wie trunken nach vorn.
    »Himmel! Was war das?«, fragte Woody.
    »Die Munitionskammer muss hochgegangen sein«, antwortete Chuck. Voller Schmerz begriff er, dass bei der gewaltigen Explosion Hunderte seiner Kameraden getötet worden sein mussten.
    Eine Säule aus dunkelrotem Qualm wie von einem Scheiterhaufen stieg in die Luft.
    Wieder ertönte ein lautes Krachen. Die Barkasse machte einen Satz, als wäre sie getroffen. Alle duckten sich. Chuck fiel auf die Knie. Er glaubte schon, eine Bombe sei eingeschlagen, doch als er sich umsah, entdeckte er ein schweres, meterlanges Trümmerstück aus Stahl, das über dem Motor ins Deck gedrungen war. Wie durch ein Wunder war niemand an Bord verletzt worden.
    Allerdings setzte der Motor aus.
    Das Boot wurde langsamer und blieb stehen, trieb hilflos auf den kabbeligen Wellen, während japanische Flugzeuge Feuer und Stahl auf die Lagune regnen ließen.
    »Chuck«, sagte Gus gepresst, »wir müssen hier weg.«
    »Weiß ich.« Chuck und Eddie besahen sich den Schaden, packten das Trümmerstück und versuchten es aus dem Teakholzdeck zu hebeln, doch es steckte unverrückbar fest.
    »Wir haben keine Zeit dafür!«, rief Gus.
    »Der Motor ist hin, Chuck«, sagte Woody.
    Und noch immer trennte sie eine Viertelmeile vom Ufer. Doch die Barkasse war für einen Notfall wie diesen mit zwei Rudern ausgestattet. Chuck löste sie aus ihren Halterungen. Er nahm das eine, Eddie das andere. Doch das Boot war sehr groß und schwerfällig, das Rudern mühselig, und sie kamen nur langsam voran.
    Zu ihrem Glück ließ der Angriff in seiner Heftigkeit ein wenig nach. Am Himmel wimmelte es nicht mehr von japanischen Flugzeugen. Von den beschädigten Schiffen stiegen gewaltige Rauchwolken auf; die Qualmsäule von der tödlich getroffenen Arizona war tausend Fuß hoch. Aber es gab keine neuen Explosionen. Die erstaunlich beherzte Nevada hielt unentwegt auf die Hafenausfahrt zu.
    Im Wasser rings um die Schiffe drängten sich Rettungsflöße, Motorbarkassen und schwimmende oder sich an Wrackteile klammernde Seeleute. Doch das Ertrinken war nicht ihr einziger Schrecken: Öl aus den leckgeschlagenen Schiffen hatte sich auf dem Wasser ausgebreitet und Feuer gefangen. Die Hilferufe der Nichtschwimmer mischten sich mit den entsetzlichen Schreien der Verbrennenden.
    Chuck warf einen Blick auf die Armbanduhr. Er hatte das Gefühl, dass der Angriff seit

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