Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
glücklich.«
»Sie ist ja auch sehr hübsch.«
Sie hielten die Türen der Limousine auf, und die Dewars stiegen in den Fond. Woody und Joanne klappten sich die Notsitze herunter. Chuck fuhr los und schlug den Weg zum Marinestützpunkt ein.
Es war ein schöner Morgen. Im Autoradio hörten sie KGMB ; der Sender spielte Kirchenlieder. Die Sonne strahlte über der Lagune und funkelte auf den gläsernen Bullaugen und den polierten Messingrelings von hundert Schiffen. »Ist das nicht ein schöner Anblick?«, schwärmte Chuck.
Sie kamen in den Stützpunkt und fuhren zum Navy Yard, wo ein Dutzend Schiffe zwecks Reparaturen, Wartung und Betankung in Schwimm- und Trockendocks lagen. Chuck hielt vor der Anlegestelle für Offiziere. Alles stieg aus und blickte über die Lagune zu den mächtigen Schlachtschiffen, die sich im Morgenlicht stolz vor ihnen erhoben. Woody machte ein Foto.
Es war wenige Minuten vor acht. Chuck hörte die Kirchenglocken in der nahen Pearl City. An Bord der Schiffe wurde die Vormittagswache zum Frühstück gepfiffen, und Fahnentrupps traten an, um Punkt acht die Flaggen zu hissen. Eine Kapelle an Deck der Nevada spielte The Star-Spangled Banner.
Sie gingen zum Landungssteg, wo eine vertäute Barkasse auf sie wartete. Das Boot war groß genug für ein Dutzend Passagiere und verfügte über einen Innenbordmotor unter einem Luk im Heck. Eddie ließ die Maschine an, während Chuck den Gästen ins Boot half. Der kleine Motor tuckerte fröhlich. Chuck stellte sich in den Bug, während Eddie die Barkasse vorsichtig ablegte und in Richtung der Schlachtschiffe lenkte. Als sie Geschwindigkeit aufnahmen, hob sich der Bug und schnitt einen Zwillingsbogen aus Schaum ins Wasser, der an die Flügel einer Möwe erinnerte.
Chuck hörte ein Flugzeug und hob den Blick. Die Maschine näherte sich von Westen. Seltsamerweise flog sie so niedrig, dass man beinahe befürchten musste, sie könnte aufschlagen. Chuck vermutete, dass der Pilot auf der Marinepiste von Ford Island landen wollte.
Woody, der neben Chuck im Bug saß, runzelte die Stirn. »Was ist das denn für einer?«
Chuck kannte alle Flugzeugtypen des Heeres und der Marine, aber diese Maschine zu identifizieren fiel ihm schwer. »Sieht fast aus wie ein Typ 97«, sagte er. Typ 97 war der trägergestützte Torpedobomber der Kaiserlich-Japanischen Marineluftstreitkräfte.
Woody richtete seine Kamera auf das Flugzeug.
Als es näher kam, entdeckte Chuck große rote Sonnenscheiben auf den Tragflächen. »Das ist ein Japaner!«, rief er.
Eddie, der das Boot vom Heck aus steuerte, hörte ihn. »Sie müssen das Flugzeug für eine Übung hergerichtet haben«, sagte er. »Eine Alarmübung, die jedem den Sonntagmorgen vermiesen soll.«
»Wird wohl so sein«, sagte Chuck.
Dann sah er ein zweites Flugzeug hinter dem ersten.
Und noch eins.
Er hörte seinen Vater besorgt fragen: »Was ist da los?«
Die Flugzeuge drehten über dem Navy Yard ein und zogen in niedriger Höhe über die Barkasse hinweg. Das Brummen der Motoren steigerte sich zu einem Gebrüll wie an den Niagarafällen. Es waren ungefähr zehn Maschinen. Augenblicke später waren es zwanzig, und es wurden immer mehr.
Sie hielten direkt auf die Schlachtschiff-Allee zu.
Woody senkte den Fotoapparat. »Das kann doch kein echter Angriff sein, oder?« In seiner Stimme lagen Zweifel und Angst.
»Wo sollten hier Japaner herkommen?«, fragte Chuck ungläubig. »Japan ist fast viertausend Meilen weit weg! Kein Flugzeug fliegt so weit.«
Im nächsten Moment fiel ihm ein, dass die Flugzeugträger der japanischen Marine Funkstille hielten. Die Fernmeldeaufklärung war davon ausgegangen, dass die Träger sich in heimischen Gewässern aufhielten, aber das hatte sich nie bestätigen lassen.
Er schaute seinen Vater an und glaubte zu erkennen, dass Gus das Gleiche dachte.
Plötzlich wurde alles klar. Zweifel wurden zur schrecklichen Gewissheit, Unglaube zur panischen Angst.
Die Führungsmaschine flog in niedriger Höhe über die Nevada hinweg, das Achterschiff der Schlachtschiff-Allee. Ein Feuerstoß hämmerte. An Deck spritzten Matrosen auseinander, und die Kapelle verstummte mit einem disharmonischen Crescendo.
In der Barkasse schrie Rosa auf.
»Herr im Himmel«, flüsterte Eddie, »das ist wirklich ein Angriff.«
Chuck stockte das Herz. Die Japaner bombardierten Pearl Harbor, und er fuhr mit einem kleinen Beiboot mitten auf der Lagune! Er blickte in die erschrockenen Gesichter der anderen und begriff, dass
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