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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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dachte Daisy, seine verstorbene Mutter. Also ist die alte Hexe tot. Vielleicht erklärt das die Veränderung.
    Ich bin der Eagle Squadron No. 133 beigetreten. Wir fliegen Hurricanes, müssten aber jeden Tag Spitfires bekommen.
    Es gab drei Eagle Squadrons, »Adler-Staffeln« der Royal Air Force, in denen amerikanische Freiwillige als Piloten dienten. Daisy war überrascht: Niemals hätte sie erwartet, dass Charlie freiwillig in den Krieg zog. Als sie zusammen gewesen waren, hatte er sich nur für Hunde und Pferde interessiert. Er schien wirklich zum Mann gereift zu sein.
    Wenn Du in Deinem Herzen Vergebung für mich findest oder wenigstens die Vergangenheit hinter Dir lassen kannst, würde ich Dich und Deinen Mann gerne treffen.
    Indem er ihren Mann erwähnte, vermutete Daisy, wollte er ihr taktvoll zu verstehen geben, dass er keine romantischen Absichten verfolgte.
    Nächstes Wochenende bin ich auf Urlaub in London. Darf ich Euch beide zum Abendessen ausführen? Bitte sag Ja.
    Mit lieben Grüßen und den besten Wünschen
    Charles H.B. Farquharson
    Boy kam an diesem Wochenende nicht nach Hause, doch Daisy nahm die Einladung für sich allein an. Sie sehnte sich nach männlicher Gesellschaft. Vielen Frauen in London erging es so;schließlich war Krieg. Lloyd war nach Spanien gegangen und verschwunden. Er hatte behauptet, er werde als Militärattaché an der britischen Botschaft in Madrid eingesetzt. Daisy wünschte sich sehnlichst, dass er einen so sicheren Posten bekommen hatte, konnte es aber nicht glauben. Als sie Lloyd vor seiner Abreise gefragt hatte, weshalb die Army einen gesunden jungen Offizier für Schreibtischarbeit in einem neutralen Land abstelle, hatte er geantwortet, es sei wichtig, Spanien davon abzuhalten, aufseiten der faschistischen Staaten in den Krieg einzutreten. Doch sein wehmütiges Lächeln hatte Daisy verraten, dass er gewusst hatte, sie nicht täuschen zu können. Sie befürchtete, dass er in Wahrheit über die Grenze geschlichen war, um mit dem französischen Widerstand zusammenzuarbeiten. Immer wieder wurde sie von Albträumen geplagt, in denen Lloyd gefangen genommen und unter Folter verhört wurde.
    Mehr als ein Jahr lang hatte sie ihn nicht gesehen. Es war für sie wie eine Amputation: Sie vermisste Lloyd zu jeder Stunde eines jeden Tages. Trotzdem war sie froh über die Gelegenheit, einen Abend lang mit einem Mann auszugehen, selbst wenn es der unbeholfene, glanzlose, übergewichtige Charlie Farquharson war.
    Charlie hatte einen Tisch im Savoy Grill bestellt.
    In der Lobby des Hotels, wo ein Kellner Daisy ihren Nerzmantel abnahm, trat ein großer, elegant gekleideter Mann, der ihr vage vertraut erschien, auf sie zu. Er streckte die Hand aus und sagte schüchtern: »Hallo, Daisy. Welch eine Freude, dich nach all den Jahren wiederzusehen.«
    Erst als sie seine Stimme hörte, begriff sie, dass es Charlie war. »Gütiger Himmel, hast du dich verändert!«
    »Ich habe ein bisschen Gewicht verloren.«
    »Das kann man wohl sagen.« Zwanzig, fünfundzwanzig Kilo, schätzte sie. Er sah viel besser aus. Sein Gesicht wirkte nicht mehr aufgedunsen und hässlich, sondern männlich und markant.
    »Aber du hast dich kein bisschen verändert«, sagte er und betrachtete sie von Kopf bis Fuß.
    Daisy hatte sich Mühe gegeben mit ihrer Kleidung. Seit Jahren kaufte sie nichts Neues, aus selbstauferlegter Sparsamkeit in Kriegszeiten, aber für heute hatte sie ein schulterfreies saphirblaues Abendkleid aus Seide ausgegraben, ein Modell von Lanvin,das sie auf ihrer letzten Reise vor dem Krieg nach Paris gekauft hatte. »In ein paar Monaten werde ich sechsundzwanzig«, sagte sie. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich noch so aussehe wie mit neunzehn.«
    Er blickte auf ihr Dekolleté, errötete und sagte: »Glaub mir, es ist so.«
    Sie gingen ins Restaurant und setzten sich. »Ich hatte schon Angst, du würdest nicht kommen«, sagte er.
    »Meine Uhr ist stehen geblieben. Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe.«
    »Sind ja nur zwanzig Minuten. Eine Stunde hätte ich gewartet.«
    Ein Kellner fragte sie nach ihrem Getränkewunsch.
    »Wir sind hier in einem der wenigen Restaurants in England, in denen man einen anständigen Martini bekommt«, sagte Daisy.
    »Zwei Martini, bitte«, bestellte Charlie.
    »Für mich ohne Eis mit einer Olive.«
    »Für mich auch.«
    Daisy musterte Charlie. Sie konnte kaum glauben, welche Veränderung mit ihm vor sich gegangen war. Seine alte Unbeholfenheit hatte sich zu

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