Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
dich.«
Carla trat zwei Schritte vor, schnappte sich die Tasche und huschte aus dem Zimmer. Rasch durchquerte sie den Salon und lief schwer atmend die Treppe hinunter.
In der Küche stellte sie die Tasche auf den Tisch und öffnete sie. Darin befanden sich die aktuelle Ausgabe des Angriff , eine ungeöffnete Schachtel Zigaretten und eine schlichte, beige Aktenmappe. Mit zitternden Händen nahm Carla die Aktenmappe heraus. Sie enthielt den Durchschlag eines Dokuments.
Auf der ersten Seite stand:
Weisung Nr. 41
Auf der letzten Seite befand sich eine dünne Linie für die Unterschrift. Da stand nichts – vermutlich, weil es sich um eine Kopie handelte –, aber der Name, der unter dem Strich getippt war, lautete Adolf Hitler.
Dazwischen steckte der Plan für den Fall Blau.
Carla wurde immer aufgeregter. Es war eine Mischung aus Freude und der panischen Angst, erwischt zu werden.
Sie legte das Dokument auf den kleinen Schrank neben dem Küchenfenster. Dann riss sie die Schublade auf und holte die Kamera sowie die beiden Ersatzfilme heraus. Schließlich breitete sie das Dokument sorgfältig aus und fotografierte es Seite für Seite ab.
Es dauerte nicht lange; es waren nur zehn Seiten. Carla musste nicht mal einen neuen Film einlegen. Sie war fertig. Sie hatte den Schlachtplan gestohlen!
Für dich, Vater , dachte sie.
Sie legte die Kamera wieder unter die Handtücher, schloss die Schublade, legte die Dokumente in die Aktenmappe zurück und schob das Ganze in die Tasche, die sie dann so leise wie möglich wieder hinauftrug.
Als sie durch den Salon schlich, hörte sie die Stimme ihrer Mutter. Maud sprach klar und deutlich, als wollte sie gehört werden. Carla wusste sofort, dass es eine Warnung war. »Bitte, mach dir keine Vorwürfe«, sagte sie. »Es liegt daran, dass du so erregt warst.«
Joachim antwortete leise und verlegen: »Ich komme mir wie ein Narr vor. Du hast mich nur berührt, und schon war’s vorbei.«
Carla konnte sich denken, was geschehen war. Sie selbst hatte zwar keine Erfahrung damit, aber die Gespräche der jungen Krankenschwestern im Aufenthaltsraum gingen manchmal sehr ins Detail. Joachim musste frühzeitig ejakuliert haben. Frieda hatte Carla erzählt, Heinrich sei das anfangs auch passiert, gleich mehrmals. Er war wie versteinert vor Scham gewesen, doch irgendwann hatte das Problem sich von selbst gelöst. Es sei nur ein Zeichen von Nervosität und Unerfahrenheit.
Doch für Carla stellte es nun ein Problem dar. Denn jetzt war Joachim nicht mehr so blind und taub für alles, was um ihn herum geschah.
Dennoch tat Maud ihr Bestes, ihn von der Tür fernzuhalten. Wenn es Carla gelang, nur kurz ins Zimmer zu schlüpfen und die Tasche zurückzulegen, würden sie vielleicht doch noch davonkommen.
Mit pochendem Herzen durchquerte Carla den Salon und blieb an der offenen Tür stehen.
Maud sagte beruhigend: »So was kann vorkommen. Dein Körper war zu ungeduldig. Das hat nichts zu bedeuten.«
Carla steckte den Kopf zur Tür herein.
Die beiden standen noch an derselben Stelle wie vorhin, noch immer nahe beieinander. Maud schaute an Joachim vorbei und sah Carla. Sofort legte sie ihm die Hand auf die Wange, um seinen Blick von der Tür fernzuhalten, und sagte: »Küss mich noch mal, und sag mir, dass du mich für diesen kleinen Unfall nicht hasst.«
Carla glitt ins Zimmer.
Joachim sagte: »Ich brauche eine Zigarette.«
In dem Sekundenbruchteil, als er sich umdrehte, huschte Carla wieder hinaus, die Tasche noch immer in Händen.
Atemlos wartete sie an der Tür. Hatte Joachim noch Zigaretten in der Jackentasche, oder würde er nach der neuen Schachtel suchen?
Die Antwort erfolgte einen Augenblick später. »Wo ist meine Tasche?«, fragte Joachim.
Carlas Herz setzte einen Schlag aus.
Mauds Stimme war klar und deutlich. »Die hast du im Salon gelassen.«
»Nein, habe ich nicht.«
Carla durchquerte das Zimmer, warf die Tasche auf einen Stuhl und verschwand nach draußen. Dann blieb sie auf dem Treppenabsatz stehen und lauschte.
Sie hörte, wie Maud und Joachim aus dem Arbeitszimmer in den Salon kamen.
»Da ist sie doch«, sagte Maud. »Genau wie ich gesagt habe.«
»Ich habe sie aber nicht hier gelassen«, erwiderte Joachim gereizt. »Ich habe geschworen, sie keine Sekunde aus den Augen zu lassen. Aber dann habe es ich doch getan … als ich dich geküsst habe.«
»Aber nein. Du bist nur aufgeregt wegen der dummen Sache, die gerade passiert ist. Komm, entspann dich.«
»Irgendjemand
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