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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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sodass sie einen Hausmeister wecken mussten. Brauchte der Mann mehr als eine Minute, um eine Tür aufzuschließen, traten Macke und die anderen sie ein. Waren sie erst einmal drinnen, eilten sie durch das Gebäude und überprüften jeden Raum.
    Der Pianist war nicht im ersten Block.
    Am ersten Gebäude auf der rechten Seite hing ein verblasstes Schild, auf dem »Modische Pelze« stand. Es war eine Gerberei, die eine Nebenstraße auf der gesamten Länge einnahm. Das zweistöckige Gebäude sah verlassen aus, doch die Eingangstür bestand aus Stahl, und die Fenster waren vergittert: Eine Pelzgerberei war naturgemäß gut gesichert.
    Macke führte Werner die Nebenstraße hinunter und hielt nach einer Möglichkeit Ausschau, in die Gerberei hineinzukommen. Das angrenzende Gebäude war zerbombt. Die Trümmer waren von der Straße geräumt worden, und auf einem handgemalten Schild stand »Lebensgefahr – kein Zutritt«. Die Reste eines anderen Schildes wiesen das Gebäude als Möbelfabrik aus.
    So schnell sie konnten, kletterten die Männer über einen Trümmerhaufen, mussten dabei aber vorsichtig sein. Eine stehen gebliebene Wand verbarg die Rückseite des Gebäudes. Macke umrundete die Wand und entdeckte ein Loch, das in die benachbarte Gerberei führte.
    Er hatte das starke Gefühl, dass der Pianist sich dort aufhielt.
    Er stieg durch das Loch, gefolgt von Werner. Sie fanden sich in einem leeren Büro wieder. Ein alter Stahlschreibtisch und ein ebenso alter Aktenschrank standen in dem Raum. Der Kalender an der Wand war von 1939, vermutlich das letzte Jahr, in dem die Berliner sich solche Frivolitäten wie Pelzmäntel hatten leisten können.
    Plötzlich hörte Macke leise Schritte in der Etage über ihnen.
    Er zog seine Pistole.
    Werner war unbewaffnet.
    Sie öffneten die Tür und gelangten in einen Flur.
    Macke sah mehrere Türen, eine Treppe, die nach oben führte, sowie eine Tür unter der Treppe, die vermutlich den Kellerzugang versperrte.
    Macke schlich durch den Gang auf die Treppe zu. Dann sah er, dass Werner die Kellertür überprüfte.
    »Ich glaube, ich habe von unten ein Geräusch gehört«, sagte Werner, als er Mackes Blick bemerkte. Er drückte die Klinke herunter, doch die Tür war abgeschlossen. Werner trat einen Schritt zurück und hob den rechten Fuß.
    Macke riss die Augen auf. »Nein!«
    »Ich höre sie doch!«, rief Werner und trat die Tür ein.
    Das Krachen hallte durch das Fabrikgebäude.
    Werner brach durch die Tür und verschwand. Ein Licht flammte auf, und eine Steintreppe schälte sich aus dem Dämmer. »Keine Bewegung!«, gellte Werners Stimme. »Sie sind verhaftet!«
    Macke folgte ihm die Treppe hinunter.
    Er gelangte in den Keller. Werner stand am Ende der Treppe, einen verwirrten Ausdruck auf dem Gesicht.
    Der Raum war leer.
    An der Decke waren Eisenstangen festgeschraubt, an denen früher vermutlich die Mäntel gehangen hatten, und in der Ecke stand eine riesige Rolle Packpapier. Doch von einem Funkgerät oder gar einem Spion, der Nachrichten nach Moskau funkte, war keine Spur zu sehen.
    »Sie verdammter Idiot!«, fluchte Macke.
    Er drehte sich um und rannte die Treppe hinauf. Werner folgte ihm. Sie durchquerten den Flur und stiegen in den nächsten Stock hinauf.
    Dort standen Reihen von Werkbänken unter einem gläsernen Dach, das den Bombentreffer auf das Nachbargebäude auf wundersame Weise überlebt hatte. Einst mussten hier Dutzende von Frauen an Nähmaschinen gearbeitet haben. Jetzt herrschte hier gähnende Leere.
    Eine Glastür führte zu einer Feuertreppe, doch die Tür warabgeschlossen. Macke schaute hinaus, sah aber niemanden und steckte seine Waffe weg. Schwer atmend lehnte er sich an eine Werkbank.
    Dann bemerkte er Zigarettenstummel auf dem Boden, einen davon mit Lippenstift. Sie sahen nicht sehr alt aus. »Sie waren hier«, sagte er zu Werner und deutete auf den Boden. »Zwei Leute. Ihr Schrei hat sie gewarnt, und sie sind entkommen.«
    »Das war dumm von mir«, sagte Werner. »Es tut mir leid, aber ich bin solche Aktionen nicht gewohnt.«
    Macke ging zum Eckfenster. Auf der Straße sah er einen jungen Mann und eine junge Frau, die sich rasch entfernten. Der Mann hatte einen hellen Lederkoffer dabei. Augenblicke später verschwanden die beiden im Bahnhof. »Scheiße«, fluchte er.
    »Ich glaube nicht, dass es Spione waren«, sagte Werner. Er deutete auf ein Kondom, das auf dem Boden lag. »Gebraucht, aber leer«, sagte er. »Sieht aus, als hätten wir sie in flagranti

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