Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
glaube, er war tot, bevor er in den Sand stürzte. Als ich den Kopf wieder heben konnte und ihn angeschaut habe, war er schon nicht mehr da.«
Woody bemerkte, dass seine Mutter mit Mühe die Fassung wahrte. Wenn sie zu weinen anfing, würde auch er in Tränen ausbrechen.
»Eine Stunde lag ich an dem verdammten Strand neben seiner Leiche«, fuhr Eddie fort. »Die ganze Zeit hielt ich seine Hand. Dann kamen sie mich mit der Trage holen. Ich wollte nicht weg. Ich wusste, ich würde Chuck nie wiedersehen.« Er vergrub das Gesicht in den Händen. »Ich habe ihn so sehr geliebt.«
Rosa legte Eddie den Arm um die breiten Schultern und drückte ihn. Er legte den Kopf an ihre Brust und schluchzte wie ein Kind.Sie strich ihm übers Haar und gab besänftigende Laute von sich, als hätte sie es mit einem kleinen Jungen zu tun.
Rosa wusste, dass Chuck und Eddie ein Paar gewesen waren; das war nicht zu übersehen.
Eddie riss sich zusammen. Er blickte Woody an. »Sie wissen, wie das ist, nicht wahr?«
Er sprach von Joannes Tod. »Ja, ich weiß es«, sagte Woody. »Es gibt nichts Schlimmeres, aber jeden Tag tut es ein klein bisschen weniger weh.«
»Ich hoffe es. Ich hoffe es sehr.«
»Sind Sie noch auf Hawaii stationiert?«
»Ja. Chuck und ich gehören der Kartenstelle an … gehörten ihr an.« Er schluckte. »Chuck war der Meinung, wir bräuchten ein besseres Gefühl dafür, wie unsere Karten im Einsatz genutzt werden. Deshalb haben wir die Marines nach Bougainville begleitet und waren beim Landungsunternehmen dabei.«
»Offenbar leisten Sie gute Arbeit«, sagte Woody. »Wie es aussieht, besiegen wir die Japse.«
»Ja, Schritt für Schritt«, entgegnete Eddie. Er blickte auf Woodys Uniform. »Wo sind Sie stationiert, Lieutenant?«
»Ich war in Fort Benning in Georgia zur Fallschirmjägerausbildung. Jetzt bin ich unterwegs nach London. Mein Schiff geht morgen.«
Er blickte seiner Mutter in die Augen. Mit einem Mal sah sie älter aus. Er bemerkte Falten in ihrem Gesicht, die er nie zuvor gesehen hatte. Ihr fünfzigster Geburtstag war ohne großes Getue verstrichen. Doch über Chucks Tod zu sprechen, während ihr anderer Sohn in Heeresuniform dabeisaß, hatte sie mitgenommen.
Eddie bemerkte es nicht. »Es heißt, dieses Jahr gehen wir nach Frankreich.«
Woody nickte. »Ich nehme an, deshalb ist meine Ausbildung verkürzt worden.«
»Ihnen steht sicher einiges bevor.«
Rosa unterdrückte ein Schluchzen.
»Ich hoffe, ich bin so tapfer wie mein Bruder«, sagte Woody.
»Ich hoffe, Sie müssen es nie herausfinden«, murmelte Eddie.
Greg Peshkov führte die dunkeläugige Margaret Cowdry zu einem nachmittäglichen Sinfoniekonzert aus. Margaret hatte einen schön geformten, üppigen Mund, zum Küssen wie geschaffen. Doch Gregs Gedanken drehten sich um etwas anderes.
Er und sein Partner, FBI -Agent Bill Bicks, folgten einem Mann namens Barney McHugh.
McHugh war ein brillanter junger Physiker. Er hatte Urlaub vom geheimen Heeresforschungslabor Los Alamos, New Mexico, und war mit seiner britischen Frau nach Washington gefahren, um ihr die Stadt zu zeigen.
Das FBI hatte im Vorfeld herausgefunden, dass McHugh Karten für das Konzert besaß, und Special Agent Bicks hatte Greg zwei Sitze ein paar Reihen hinter McHugh verschaffen können. Ein Konzertsaal, in dem sich Hunderte Fremde aufhielten, war wie geschaffen für ein heimliches Treffen, und Greg musste erfahren, was McHugh im Schilde führte.
Zu dumm nur, dass sie miteinander bekannt waren. An dem Tag, als im Versuchsreaktor in Chicago die erste atomare Kettenreaktion ausgelöst worden war, hatte Greg sich mit McHugh unterhalten. Das lag zwar anderthalb Jahre zurück, aber vielleicht erinnerte McHugh sich an ihn. Also musste Greg dafür sorgen, dass der Mann ihn nicht entdeckte.
Als Greg und Margaret in den Saal kamen, waren die Plätze der McHughs leer. Zu beiden Seiten saßen unauffällige Paare – rechts zwei ältere Damen, links ein Mann in mittleren Jahren in einem breit gestreiften grauen Anzug von der Stange und seine unscheinbare, ohne jeden Schick gekleidete Frau.
Greg hoffte, dass McHugh noch auftauchte. Wenn er tatsächlich ein Agent war, wollte Greg ihn auf frischer Tat ertappen.
Auf dem Programm stand Tschaikowskis 1. Sinfonie. »Ich hätte nie gedacht, dass du klassische Musik magst«, sagte Margaret, als die Orchestermusiker ihre Instrumente stimmten. Den wahren Grund, weshalb Greg sie hierhergebracht hatte, kannte sie nicht. Sie wusste nur, dass
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