Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
Greg in der Wehrforschung arbeitete, die der Geheimhaltung unterlag, doch wie fast alle Amerikaner ahnte sie nichts von der Uranbombe. »Ich dachte immer, du hörst nur Jazz.«
»Ich mag die russischen Komponisten«, sagte Greg. »Das Dramatische in ihrer Musik liegt mir offenbar im Blut.«
Greg wusste inzwischen, dass Margaret mit klassischer Musik aufgewachsen war. Auf Dinnerpartys engagierte ihr Vater gern ein kleines Orchester. Margarets Familie war so reich, dass Greg sich wie ein armer Schlucker vorkam. Sie hatte ihn noch nicht ihren Eltern vorgestellt, und Greg vermutete stark, dass die Cowdrys den unehelichen Sohn eines bekannten Frauenhelden aus Hollywood-Kreisen nicht gerade mit offenen Armen empfangen würden.
»Wonach schaust du?«
»Ach, nichts.« Soeben waren die McHughs eingetroffen. »Sag mal, was trägst du für ein Parfüm?«
»Chichi von Renoir.«
»Das riecht großartig.«
Die McHughs machten einen glücklichen Eindruck – ein fröhliches, wohlhabendes junges Paar, das sich einen schönen Tag machte. Greg fragte sich, ob sie so spät kamen, weil sie sich vorher noch im Hotelzimmer geliebt hatten.
Barney McHugh setzte sich neben den Mann im grauen Anzug. Dass der Anzug billig war, erkannte Greg allein schon an der unnatürlichen Steife der gepolsterten Schultern. Der Mann gönnte den Neuankömmlingen keinen Blick. Die McHughs begannen, ein Kreuzworträtsel zu lösen, die Köpfe vertraulich zusammengesteckt, während sie in die Zeitung blickten, die Barney hielt.
Ein paar Minuten später trat der Dirigent auf die Bühne. Eröffnet wurde das Konzert mit einem Stück von Saint-Saëns. Deutsche und österreichische Komponisten hatten seit Kriegsausbruch an Beliebtheit verloren, und die Konzertbesucher entdeckten Alternativen, zum Beispiel Sibelius.
McHugh war vermutlich Kommunist. Greg wusste davon, weil J. Robert Oppenheimer es ihm gesagt hatte. Oppenheimer, ein führender theoretischer Physiker aus Kalifornien, war Direktor des Forschungszentrums von Los Alamos und wissenschaftlicher Leiter des gesamten Manhattan-Projekts. Er hatte enge Bindungen zu Kommunisten, beharrte jedoch darauf, der Partei nie beigetreten zu sein.
Special Agent Bicks hatte Greg gefragt: »Was will die Army denn mit den ganzen Roten? Ich weiß ja nicht, was Sie da draußen in der Wüste machen, aber gibt’s nicht genug gute junge Wissenschaftler in Amerika, die keine gottverdammten Commies sind?«
»Nein, die gibt es nicht«, hatte Greg erwidert. »Die wären uns auch lieber gewesen.«
Kommunisten waren der politischen Idee manchmal treuer als ihrem Heimatland und hielten es möglicherweise für das Richtige, die geheimen Ergebnisse der Kernforschung mit der Sowjetunion zu teilen. Es war nicht das Gleiche, als hätten sie Geheimnisverrat an den Feind begangen. Die Sowjets waren Amerikas Verbündete im Kampf gegen Nazi-Deutschland, und sie hatten einen höheren Blutzoll entrichtet als alle anderen Alliierten zusammen. Das änderte aber nichts daran, dass es gefährlich war, für die Sowjets zu arbeiten: Für Moskau bestimmte Informationen konnten leicht nach Berlin gelangen. Und jeder, der länger als eine Minute über die Welt nach dem Krieg nachdachte, konnte sich ausmalen, dass die USA und die UdSSR nicht auf ewig Freunde bleiben würden.
Das FBI hielt Oppenheimer für ein Sicherheitsrisiko und versuchte immer wieder, Gregs Vorgesetzten, General Groves, zu überzeugen, ihn zu feuern. Doch Oppenheimer war der herausragende Physiker seiner Generation, und Groves bestand darauf, ihn zu behalten.
Doch um seine Loyalität zu beweisen, hatte Oppenheimer auf McHugh als möglichen Kommunisten hingewiesen. Deshalb wurde McHugh nun von Greg und Bicks beschattet.
Das FBI war skeptisch gewesen. Special Agent Bicks hatte abfällig erklärt: »Oppenheimer bläst Ihnen bloß Rauch in den Arsch.«
»Das glaube ich nicht«, hatte Greg erwidert. »Ich kenne ihn seit über einem Jahr.«
»Oppenheimer ist ein Scheißkommunist, genau wie seine Frau, sein Bruder und seine Schwägerin.«
»Er schuftet jeden Tag neunzehn Stunden, damit die amerikanischen Soldaten die mächtigste Waffe der Welt bekommen. Ein solcher Mann soll ein Verräter sein?«, hatte Greg gereizt geantwortet. Nun hoffte er, dass McHugh sich als Verräter erwies; das würde Oppenheimer von jedem Verdacht befreien, General Groves’ Glaubwürdigkeit untermauern und Gregs eigene Bedeutung herausstreichen.
Während der ersten Hälfte des Konzerts nahm Greg keine
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