Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
es egal, dass wir nicht verheiratet sind.«
Die Röte stieg ihm ins Gesicht. »Du weißt, wie ich über uneheliche Kinder denke.«
»Ja. Trotzdem möchte ich etwas von dir, das ich lieb haben kann, falls dir was passiert.«
»Ich tue mein Bestes, am Leben zu bleiben.«
»Ich weiß«, erwiderte Daisy. Doch wenn ihr Verdacht stimmte und Lloyd verdeckt im besetzten Gebiet operierte, konnte er genauso hingerichtet werden, wie man in Großbritannien deutsche Agenten exekutierte. »Einer Million Frauen geht es genauso wie mir, das ist mir klar, aber ich kann den Gedanken an ein Leben ohne dich einfach nicht ertragen. Ich glaube, ich würde sterben.«
»Wenn ich Boy dazu bringen könnte, sich von dir scheiden zu lassen, würde ich dich sofort heiraten.«
»Das ist kein Thema für eine Party.« Sie ließ den Blick schweifen. »Wer hätte das gedacht? Ich glaube, das ist Woody Dewar!«
Woody trug eine amerikanische Offiziersuniform. Daisy ging zu ihm und begrüßte ihn. Wie eigenartig, ihn nach neun Jahren wiederzusehen. Dabei sah er gar nicht sehr viel anders aus, nur ein wenig älter.
»Hier sind jetzt Tausende amerikanischer Soldaten«, sagteDaisy, als sie und Woody zu Pennsylvania Six-Five Thousand einen Foxtrott tanzten. »Offenbar stehen wir kurz vor der Invasion Frankreichs. Oder weißt du mehr?«
»Die Lamettahengste teilen ihre Pläne nicht jedem grünen Lieutenant mit«, erwiderte Woody. »Aber ich kann mir auch keinen anderen Grund vorstellen, weshalb ich hier bin. Wir können die Russen nicht mehr lange die Hauptlast des Kampfes tragen lassen.«
»Wann wird es so weit sein, was meinst du?«
»Ende Mai, Anfang Juni, würde ich sagen.«
»So bald schon!«
»Aber niemand weiß, wo.«
»Von Dover nach Calais ist der kürzeste Seeweg«, sagte Daisy.
»Deshalb ist der deutsche Atlantikwall bei Calais auch am stärksten. Also werden wir die Deutschen vielleicht überraschen – zum Beispiel, indem wir an der Südküste landen, bei Marseille.«
»Vielleicht ist dann endlich alles vorbei.«
»Das bezweifle ich. Sobald wir einen Brückenkopf haben, müssen wir erst einmal Frankreich erobern, und dann Deutschland. Vor uns liegt noch ein langer Weg.«
Woody schien eine Aufmunterung dringend nötig zu haben, und Daisy wusste das richtige Mädchen: Isabel Hernandez, genannt Bella, eine Rhodes-Studentin, die am St. Hilda’s College in Oxford ihren Master in Geschichte machte. Sie war wunderschön, wurde aber oft als Blaustrumpf bezeichnet, weil sie intellektuell anspruchsvoll war. Doch Woody würde das nicht stören.
Also rief Isabel ihre Freundin herbei. »Bella, darf ich dir Woody Dewar aus Buffalo vorstellen. Woody, das ist meine Freundin Bella. Sie ist aus San Francisco.«
Sie gaben einander die Hand. Bella war groß und hatte dichtes dunkles Haar und olivfarbene Haut, genau wie Joanne Rouzrokh. Woody lächelte sie an und fragte: »Was führt Sie nach London?«
Daisy ließ die beiden allein.
Um Mitternacht servierte sie Essen. Kam sie an amerikanische Rationen, gab es Schinken und Eier, wenn nicht, wurden Käsesandwiches aufgetragen. Daisy bemerkte, dass Woody Dewar sich noch immer mit Bella Hernandez unterhielt. Sie schienen tief ins Gespräch versunken zu sein.
Daisy sorgte dafür, dass alle hatten, was sie brauchten; dann setzte sie sich mit Lloyd in eine stille Ecke.
»Ich weiß jetzt, was ich nach dem Krieg tun möchte, falls ich so lange lebe«, sagte er. »Außer dich zu heiraten, meine ich.«
»Was denn?«
»Ich werde versuchen, ins Parlament zu kommen.«
Daisy war begeistert. »Das wäre großartig, Lloyd!« Sie schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn.
»Für Glückwünsche ist es noch zu früh. Ich habe mich für Hoxton eingeschrieben, den Nachbarwahlkreis meiner Mutter. Aber vielleicht entscheidet sich der dortige Labour-Ortsverein ja gegen mich. Oder ich werde nominiert, verliere aber die Wahl. Im Moment hat Hoxton einen starken liberalen Abgeordneten.«
»Lass mich dir helfen«, sagte Daisy. »Ich könnte deine rechte Hand sein. Ich schreibe deine Reden – ich wette, das könnte ich gut.«
»Es wäre fabelhaft, wenn du mir helfen würdest.«
»Also abgemacht!«
Nach dem Essen verabschiedeten sich die älteren Gäste, aber die Musik spielte weiter, und die Getränke versiegten nicht. Die Party wurde immer hemmungsloser. Woody tanzte Wange an Wange mit Bella; Daisy fragte sich, ob sie seit Joanne seine erste Romanze wäre.
Die Knutscherei wurde heftiger, und Pärchen
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