Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
dass du zu einer verdammten Bolschewistin geworden bist?«
Daisy seufzte. »Möchtest du wirklich noch länger mit mir verheiratet sein, Boy? Du könntest eine Frau finden, die besser zu dir passt. Die Hälfte aller ledigen Mädchen in London würde einen Mord begehen, um die Viscountess Aberowen zu werden.«
»Das könnte diesem verdammten Williams-Klan so passen, dass ich mich von dir scheiden lasse, was? Übrigens habe ich gestern Nacht gehört, dass dein Freund ins Parlament möchte.«
»Er wäre ein großartiger Abgeordneter.«
»Nicht mit dir im Schlepptau. Dann wird er nie gewählt. Er ist ein verfluchter Sozialist. Du bist eine ehemalige Faschistin.«
»Ich weiß, das könnte ein Problem sein …«
»Ein Problem? Das ist eine unüberwindliche Barriere. Warte nur, bis die Zeitungen davon erfahren! Dann werden sie dich genauso kreuzigen wie mich heute!«
»Ich nehme an, du steckst die Geschichte der Daily Mail .«
»Das brauche ich nicht, das besorgen schon Williams’ Gegner. Denk an meine Worte. Mit dir an seiner Seite hat Lloyd Williams nicht den Hauch einer Chance.«
Die ersten fünf Junitage verbrachten Lieutenant Woody Dewar und die Männer seines Zuges zusammen mit tausend anderen Fallschirmjägern auf einem Flugplatz nordwestlich von London. EinHangar war mit Hunderten von Pritschen, die in langen Reihen aufgestellt waren, in einen riesigen Schlafsaal verwandelt worden. Die Wartezeit wurde den Männern mit Kinofilmen und Jazzschallplatten verkürzt.
Ihr Ziel war die Normandie. Durch ausgeklügelte Ablenkungsmanöver hatten die Alliierten das Oberkommando der Wehrmacht davon überzeugt, das Ziel der Invasion liege zweihundert Meilen nordöstlich von Calais. Wenn die Deutschen sich wirklich hatten täuschen lassen, würde die Invasionsstreitmacht in der Normandie auf relativ geringen Widerstand stoßen, zumindest in den ersten Stunden.
Die Fallschirmjäger gehörten zur ersten Welle, die mitten in der Nacht landen sollte. Die zweite Welle war die Hauptstreitmacht, bestehend aus hundertfünfundsiebzigtausend Mann an Bord einer Flotte von mehr als sechstausend Schiffen, von denen die ersten im Morgengrauen an fünf Punkten der Normandieküste landen würden. Bis dahin sollten die Fallschirmjäger deutsche Verteidigungsstellungen im Hinterland vernichtet und wichtige Verkehrsknotenpunkte eingenommen haben.
Woodys Zug sollte in einer kleinen Ortschaft namens Église-des-Sœurs, zehn Meilen landeinwärts, eine Brücke über einen Fluss einnehmen. Anschließend sollten sie die Brücke halten und deutsche Einheiten am Überqueren des Flusses hindern, bis die Landungstruppen zu ihnen aufschlossen. Die Deutschen mussten unter allen Umständen daran gehindert werden, die Brücke zu sprengen.
Während die Männer auf den Einsatz warteten, veranstaltete Ace Webber ein Poker-Marathon, gewann tausend Dollar und verlor sie wieder. Lefty Cameron reinigte und ölte wie ein Besessener immer wieder seinen halbautomatischen M1-Karabiner, das Fallschirmjägermodell mit Klappschaft. Lonnie Callaghan und Tony Bonanio, die einander nicht ausstehen konnten, gingen jeden Tag zusammen zum Gottesdienst. Sneaky Pete Schneider schärfte das Kampfmesser, das er in London gekauft hatte, bis er sich damit hätte rasieren können. Patrick Timothy, der wie Clark Gable aussah und einen ähnlichen Schnurrbart trug, spielte immer wieder die gleiche Melodie auf seiner Ukulele und trieb damit alle in den Wahnsinn. Sergeant Defoe schrieb lange Briefe an seine Frau, zerriss sie und begann von Neuem. Mack Trulove und Smoking JoeMorgan schnitten einander das Haar ab und rasierten sich gegenseitig die Köpfe, weil sie glaubten, dass die Sanitäter es bei einem kahlen Schädel leichter hätten, Kopfwunden zu behandeln.
Die meisten von ihnen hatten Spitznamen. Woody hatte erfahren, dass er »Scotch« genannt wurde.
Der D-Day war auf Sonntag, den 4. Juni, angesetzt worden, wurde jedoch wegen schlechten Wetters verschoben.
Am Montag, dem 5. Juni, hielt der Regimentskommandeur eine Ansprache. »Männer«, rief der Colonel. »Heute Nacht beginnen wir mit der Invasion Frankreichs!«
Die Soldaten brüllten vor Begeisterung, was Woody ziemlich ironisch fand: Hier hatten die Männer es warm und sicher, doch sie schienen es kaum erwarten zu können, über den Ärmelkanal zu fliegen, aus den Maschinen zu springen und inmitten feindlicher Soldaten zu landen, die nur darauf aus waren, sie zu töten.
Sie bekamen eine Sondermahlzeit, so viel
Weitere Kostenlose Bücher