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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Land Dimka und Tanja wohl aufwachsen würden. Doch heute war nicht der Tag, um sich über solche Dinge den Kopf zu zerbrechen.
    Die sowjetische Elite war bester Laune. Sie hatten den Krieg gewonnen und das Dritte Reich besiegt, und die USA waren auf dem besten Weg, Japan zu zerschmettern, den alten Feind der Russen. Der verrückte Ehrenkodex der japanischen Führung hatte eine Kapitulation bislang unmöglich gemacht, doch jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit. Bis dahin aber würden noch viele amerikanische und japanische Soldaten sterben, weil die Japaner sich erbittert an ihren falschen Stolz klammerten, und viele japanische Frauen und Kinder würden ihr Heim im Bombenhagel verlieren, ohne dass es irgendetwas am Sieg der Amerikaner ändern konnte. Es war bitter, dass die USA nichts tun konnten, um dieses unnötige Leid zu vermeiden.
    Betrunken und glücklich hielt Wolodjas Vater eine Rede. »Die Rote Armee hat Polen besetzt«, erklärte er. »Dieses Land wird nie mehr als Sprungbrett für die Deutschen dienen, um in Russland einzufallen.«
    Die alten Genossen jubelten und schlugen auf die Tische.
    »In Westeuropa werden die kommunistischen Parteien von den Massen gefeiert wie nie zuvor«, fuhr Grigori fort. »Aus den Kommunalwahlen in Paris letzten März sind die Kommunisten als stärkste Partei hervorgegangen. Ich gratulierte den französischen Genossen!«
    Wieder brandete Jubel auf.
    »Wenn ich mir die Welt heute anschaue, dann sehe ich, dass die Russische Revolution, für die so viele tapfere Männer gekämpft haben und gestorben sind …« Grigoris Stimme verklang, als ihm Tränen der Trunkenheit in die Augen stiegen. Stille breitete sich aus. Dann fing Grigori sich wieder. »Dann sehe ich«, nahm er den Faden wieder auf, »dass die Revolution noch nie so sicher war wie heute.«
    Die Genossen hoben die Gläser. »Auf die Revolution! Die Revolution!«
    Alle tranken.
    Plötzlich flogen die Türen auf, und Stalin kam in den Saal.
    Alle erhoben sich.
    Stalins Haar war grau, und er sah müde aus. Er war sechsundfünfzig Jahre alt und ein kranker Mann. Es gab Gerüchte, dass er mehrere leichte Schlaganfälle und einen leichten Herzinfarkt hinter sich hatte. Doch er war bester Laune.
    »Ich bin gekommen, um die Braut zu küssen!«, verkündete er, trat auf Zoja zu und legte ihr die Hände auf die Schultern. Zoja war ein paar Zentimeter größer als er, aber sie bückte sich diskret. Stalin küsste sie auf beide Wangen und ließ seinen schnauzbärtigen Mund gerade lange genug verweilen, dass Wolodja sich darüber ärgerte. Dann löste er sich von ihr und sagte: »Kann ich jetzt etwas zu trinken bekommen?«
    Mehrere Gäste eilten los, um ihm ein Glas Wodka zu besorgen, und Grigori bestand darauf, Stalin seinen Ehrenplatz am Kopf des Tisches zu überlassen. Die Gespräche wurden wieder aufgenommen, wenn auch gedämpft. So aufgeregt die Gäste auch waren, dass Stalin gekommen war – von nun an mussten sie auf jede Silbe achten. Dieser Mann konnte einen Menschen mit einem Fingerschnippen töten lassen, und das hatte er auch oft genug getan.
    Mehr Wodka wurde gebracht; die Kapelle spielte russische Volkstänze, und allmählich entspannten sich die Hochzeitsgäste wieder. Wolodja, Zoja, Grigori und Katherina tanzten einen traditionellen Gruppentanz. Dann kamen andere Paare aufs Parkett, und die Männer versuchten, Kasatschok zu tanzen, was bei vielen dazu führte, dass sie zur allgemeinen Erheiterung auf dem Hintern landeten.
    Aus dem Augenwinkel schaute Wolodja immer wieder zu Stalin – wie jeder andere im Saal. Der Genosse Generalsekretär schien sich zu amüsieren und schlug im Takt der Balalaikas mit dem Glas auf den Tisch. Zoja und Katherina tanzten eine Troika mit Zojas Chef Wassili, einem Physiker, der an der Superbombe baute, während Wolodja eine Tanzpause einlegte.
    Plötzlich schlug die Stimmung um.
    Ein Sekretär in Zivil kam in den Saal, lief um die Tische herumund ging direkt zu Stalin. Er beugte sich über dessen Schulter und flüsterte ihm drängend etwas zu.
    Stalin schaute zuerst verwirrt drein und stellte eine scharfe Frage. Dann veränderte sich sein Gesicht. Er wurde bleich und schien die Tänzer anzustarren, ohne sie zu sehen.
    Wolodja murmelte vor sich hin: »Was ist da los?«
    Die Tänzer hatten noch nichts bemerkt, doch die Genossen, die am Tisch saßen, blickten ängstlich auf ihren Generalsekretär.
    Einen Augenblick später erhob sich Stalin. Die Männer in seiner Nähe sprangen auf. Zu

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