Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
Mutter, seinen Vater und seine Schwester Daisy in London. Wie sehr würden sie ihn vermissen? Er dachte mit leisem Bedauern an Margaret Cowdry, die ihn wegen eines Kerls geschasst hatte, der bereit gewesen war, sie zu heiraten. Vor allem aber dachte er an Jacky Jakes und Georgy, der jetzt neun war. Greg wollte den Jungen unbedingt aufwachsen sehen. Ihm war klar, dass er vor allem wegen seines Sohnes am Leben bleiben wollte. Still und leise hatte der Junge sich in seine Seele geschlichen und seine Liebe gestohlen. Die Stärke seiner Empfindung überraschte Greg.
Ein Gong erklang, ein merkwürdig unpassender Laut in der Wüstenlandschaft.
»Zehn Sekunden.«
Greg hatte das Verlangen, aufzustehen und davonzurennen. So albern es war – wie weit käme er in zehn Sekunden –, er musste sich zwingen, ruhig liegen zu bleiben.
Die Bombe detonierte um fünf Uhr neunundzwanzig Minuten und fünfundvierzig Sekunden.
Zuerst gab es einen gewaltigen, gleißenden Blitz, heller als die Sonne. Es war das strahlendste Licht, das Greg je gesehen hatte.
Dann schien eine eigenartige Kuppel aus Feuer vom Boden aufzusteigen. Mit beängstigender Geschwindigkeit wuchs sie zu monströser Größe an. Sie erreichte die Höhe der Berge und stieg weiter; nach kurzer Zeit wirkten die Gipfel neben ihr winzig klein.
»Mein Gott …«, wisperte Greg.
Die Kuppel verwandelte sich in ein Quadrat. Das Licht war noch immer heller als die Mittagssonne, und die fernen Berge wurden so grell beleuchtet, dass Greg jede Faltung, jede Spalte und jeden Fels erkennen konnte.
Dann veränderte die Form sich erneut. Eine Säule entstand unter dem Quadrat; sie schien sich meilenweit in den Himmel zu recken wie die Faust Gottes. Die Wolke aus kochendem Feuer über der Säule breitete sich zu einem Dach aus wie ein Regenschirm, bis das Ganze wie ein sieben Meilen hoher Pilz aussah. Die Wolke war farbig – höllisches Orange mischte sich mit Grün und Purpurrot.
Dann wurde Greg von einer Hitzewelle getroffen. Es war ein Gluthauch, als hätte der Allmächtige einen gigantischen Brennofen geöffnet. Im gleichen Moment erreichte der Explosionsknall seine Ohren; es klang wie das Fanal des Weltuntergangs. Aber das war nur der Anfang. Ein übernatürlich lauter Donner rollte über die Wüste hinweg und löschte jeden anderen Laut aus.
Die lodernde Wolke verblasste allmählich, aber der Donnerhielt an, drohend, gespenstisch und dauerhaft, bis Greg sich fragte, ob es das Geräusch sei, mit dem die Welt endete.
Endlich flaute das Grollen ab, und die Pilzwolke verwehte.
Greg hörte, wie Frank Oppenheimer sagte: »Es hat funktioniert.«
Oppie antwortete: »Ja, es hat funktioniert.«
Die Brüder schüttelten einander die Hand.
Und die Welt existiert noch, dachte Greg.
Aber sie würde nie mehr so sein, wie sie war.
Am Morgen des 26. Juli gingen Lloyd Williams und Daisy Fitzherbert zur Hoxton Town Hall, um die Stimmauszählung zu beobachten.
Wenn Lloyd die Wahl verlor, würde Daisy die Verlobung lösen.
Er bestritt energisch, dass sie politisch eine Belastung für ihn sei, doch sie wusste es besser. Lloyds politische Feinde nannten sie betont stets »Lady Aberowen«. Wähler reagierten auf ihren amerikanischen Akzent mit indignierten Blicken, als hätte sie kein Recht, sich in die britische Politik einzumischen. Selbst Mitglieder der Labour Party behandelten sie anders und fragten, ob sie lieber Kaffee hätte, wenn alle Tee tranken.
Wie Lloyd vorhergesagt hatte, konnte Daisy die anfängliche Feindseligkeit häufig dadurch überwinden, indem sie ungezwungen und charmant war und den anderen Frauen beim Abwasch half. Aber reichte das? Das Wahlergebnis würde die einzige eindeutige Antwort geben.
Daisy würde ihn nicht heiraten, wenn es bedeutete, dass er sein Lebenswerk aufgeben müsste. Lloyd sagte zwar, er sei dazu bereit, aber das war eine hoffnungslose Grundlage für eine Ehe. Daisy schauderte bei der Vorstellung, dass Lloyd einer anderen Arbeit nachging, in einer Bank etwa oder im öffentlichen Dienst, und wie er elend und unglücklich war und so zu tun versuchte, als würde sie keine Schuld daran tragen. Sie ertrug diesen Gedanken nicht.
Leider glaubte alle Welt, die Konservativen würden die Wahl gewinnen.
Im Wahlkampf hatten sich einige Dinge ganz nach demWunsch der Labour Party entwickelt. Churchills »Gestapo«-Rede war nach hinten losgegangen. Sogar Konservative waren entsetzt darüber gewesen. Clement Attlee, der am folgenden Abend für Labour im
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