Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
Wachmann aus der Hand geschlagen.
    Einige jüngere Männer wehrten sich. Es kam zum Handgemenge. Ein halbes Dutzend Polizisten drang in die Menge vor. Sie machten keine Anstalten, die Übergriffe der Werkschutzleute zu unterbinden, nahmen aber jeden Demonstranten fest, der sich wehrte.
    Der Wachmann, der die Schlägerei begonnen hatte, lag am Boden. Zwei Protestierer traten ihn zusammen.
    Woody fotografierte.
    Joanne schrie vor Wut, stürzte sich auf einen Wachmann und zerkratzte ihm das Gesicht. Der Mann hob eine Hand, um sie wegzustoßen, und traf sie – ob versehentlich oder absichtlich – mit dem Handrücken auf die Nase. Joanne taumelte zurück. Blut schoss ihr aus den Nasenlöchern. Der Wachmann hob den Schlagstock. Woody packte Joanne bei der Taille und riss sie zurück, sodass der Hieb sie verfehlte. »Komm schnell!«, stieß Woody hervor. »Wir müssen hier weg!«
    Der Schlag ins Gesicht hatte Joanne benommen gemacht. Sie wehrte sich nicht, als Woody sie vom Werkstor wegzog. Seine Kamera baumelte an dem Riemen um seinen Hals hin und her. Die Menge geriet in Panik. Menschen stürzten zu Boden. Andere trampelten über sie hinweg, als alle zu fliehen versuchten.
    Woody war größer als die meisten anderen, und so gelang es ihm, Joanne und sich vor einem Sturz zu bewahren. Sie kämpften sich durchs Gedränge, den Wachleuten mit den Schlagstöcken immer nur einen Schritt voraus. Endlich löste sich die Menge auf. Joanne befreite sich aus Woodys Griff, und beide rannten los.
    Hinter ihnen verebbte der Kampflärm. Sie bogen um zwei Hausecken und gelangten auf eine menschenleere Straße, an der Fabrikgebäude und Lagerhäuser standen, die heute, am Sonntag, geschlossen waren. Sie schnappten nach Luft. »Das war ganz schön aufregend!«, sagte Joanne lachend.
    Woody konnte ihre Begeisterung nicht teilen. »Es war scheußlich«, entgegnete er. »Und es hätte noch schlimmer kommen können.«
    »Ach, hör auf«, erwiderte sie verächtlich. »Es ist keiner gestorben.«
    »Die Wachleute haben absichtlich einen Aufruhr provoziert!«
    »Natürlich. Peshkov möchte ja, dass die Gewerkschafter schlecht dastehen.«
    »Na, wir kennen die Wahrheit.« Woody tätschelte seine Kamera. »Und ich kann sie beweisen.«
    Eine Zeit lang gingen sie schweigen nebeneinander her, wobei Woody hoffte, dass Joanne nun doch mit ihm ausging; schließlich war er ihr Retter. Doch sie schien nicht der Ansicht zu sein, ihm etwas zu schulden, und sprach das Thema gar nicht an. Woody entdeckte ein Taxi, winkte es heran und nannte dem Fahrer die Adresse der Rouzrokhs.
    Als sie im Fond saßen, zog er ein Taschentuch hervor. »Ich will dich nicht in diesem Zustand zu deinem Vater zurückbringen«, sagte er, entfaltete das Quadrat aus weißer Baumwolle und tupfte ihr sanft das Blut von der Oberlippe.
    Es hatte etwas Intimes, was Woody sehr gefiel, doch Joanne ließ es nicht lange mit sich machen. »Ich kann das selbst«, sagte sie und nahm ihm das Taschentuch weg. Nachdem sie sich vorsichtig abgetupft hatte, fragte sie: »Wie sieht es aus?«
    »Du hast da was ausgelassen«, log er und nahm das Taschentuch zurück. Ihr Mund stand ein wenig offen, und er bewunderte ihre gleichmäßigen Zähne und ihre weichen Lippen. Er tat so, als hätte sie noch Blut im Mundwinkel, wischte sanft darüber und sagte: »Besser.«
    Schließlich hielt das Taxi vor dem Haus der Rouzrokhs. »Komm bitte nicht mit rein«, sagte Joanne. »Ich will meinen Eltern nicht die Wahrheit sagen, wo ich gewesen bin, und ich möchte nicht, dass du es versehentlich ausplauderst.«
    Woody versuchte, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. »Ist gut. Ich ruf dich später an.«
    »Okay.« Joanne stieg aus und ging nach einem flüchtigen Winken die Auffahrt hoch.
    »Das ist ’ne Süße«, sagte der Fahrer. »Nur leider zu alt für dich.«
    Woody hatte keine Lust, sich mit dem Mann über Joanne zu unterhalten. Stattdessen ließ er sich nach Hause fahren, in die Delaware Avenue. Unterwegs dachte er über Joannes Ablehnung nach. Er hätte nicht überrascht sein sollen: Jeder, angefangen bei seinem Bruder bis zu dem Taxifahrer, sagte ihm, er sei zu jung für Joanne. Dennoch schmerzte es ihn. Was sollte er jetzt mit dem Rest des Tages anfangen? Was sollte er mit dem Rest seines Lebens anfangen?
    Als er nach Hause kam, hielten seine Eltern ihren gewohnten sonntäglichen Mittagsschlaf. Woody ging in die Dunkelkammer, nahm den Film aus der Kamera und entwickelte ihn. Er ließ warmes Wasser

Weitere Kostenlose Bücher