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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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und her. Viele trugen gestickte Banner, rote Fahnen und Plakate mit der Aufschrift: NIEDER MIT DEM TYRANNEN !
    Woody hielt nach Joanne Ausschau, konnte sie aber nirgends entdecken.
    Das Wetter war schön, die Stimmung gut. Woody beschloss, ein paar Fotos zu machen. Er knipste Arbeiter in Sonntagsanzug und Hut, ein mit Bannern behängtes Auto und einen jungen Polizisten, der an den Fingernägeln kaute. Noch immer sah er keine Spur von Joanne, und allmählich glaubte er, dass sie nicht mehr auftauchte. Vielleicht hatte sie heute Morgen starke Kopfschmerzen.
    Der Protestzug sollte eigentlich um Mittag losmarschieren, brach aber erst ein paar Minuten vor eins auf. Woody, der sich fast genau in der Mitte des Zuges befand, sah starke Polizeikräfte längs der Strecke.
    Als sie die Washington Street entlang nach Süden zogen, in Richtung Industriegebiet, entdeckte er Joanne. Sein Herz machte einen Satz. Nur ein paar Yards vor ihm reihte sie sich in den Zug ein. Sie trug eine maßgeschneiderte Hose, die ihrer Figur schmeichelte. Woody beeilte sich, zu ihr aufzuschließen. »Guten Tag, Joanne!«, rief er überschwänglich.
    »Meine Güte, bist du gut gelaunt.«
    Das war untertrieben. Woody war beinahe außer sich vor Glück. »Hast du einen Kater?«
    »Entweder das, oder ich habe mir die Pest geholt. Was meinst du?«
    »Wenn du Ausschlag hast, ist es die Pest. Hast du irgendwo Pusteln?« Woody wusste kaum noch, was er sagte. »Ich bin kein Arzt, aber ich untersuche dich gern.«
    »Sei bloß nicht so aufgedreht. Ich bin nicht in Stimmung.«
    Woody versuchte, sich zu zügeln. »Wir haben dich in der Kirche vermisst. In der Predigt ging es um Noah.«
    Zu seiner Bestürzung lachte Joanne laut auf. »Ach, Woody. Ich mag es so, wenn du lustig bist, aber bitte, bring mich heute nicht zum Lachen.«
    Woody vermutete, dass die Bemerkung freundlich gemeint war, war sich aber keineswegs sicher.
    In einer Nebenstraße entdeckte er ein Lebensmittelgeschäft, das geöffnet hatte. »Du brauchst Flüssigkeit«, sagte er. »Ich bin gleich wieder da.« Er eilte in den Laden, kaufte zwei Flaschen eiskalte Cola aus dem Kühlschrank, ließ sie sich vom Verkäufer öffnen und rannte zum Protestzug zurück. Als er Joanne eine Flasche reichte, sagte sie: »Oh, Mann, du bist mein Lebensretter.« Sie setzte die Flasche an die Lippen und nahm einen langen Zug.
    Woody fand, dass er ganz gut vorankam.
    Keine einzige Wolke stand am Himmel. Im Protestzug herrschte gute Laune, obwohl der Vorfall, gegen den sie aufmarschierten, alles andere als erfreulich war. Eine Gruppe älterer Männer sang Kampflieder und Volksweisen. Einige Familien hatten sogar ihre Kinder dabei.
    »Hast du Studien über Hysterie gelesen?«, fragte Woody, als sie nebeneinander hergingen.
    »Nie davon gehört.«
    »Das ist von Sigmund Freud. Ich dachte, du wärst von ihm begeistert.«
    »Ich bin von seinen Ideen begeistert. Ich habe aber nie eines von seinen Büchern gelesen.«
    »Solltest du aber. Studien über Hysterie ist unglaublich.«
    Sie blickte ihn neugierig an. »Was hat dich dazu gebracht, solchein Buch zu lesen? Ich wette, in deiner teuren altmodischen Schule steht Psychologie nicht auf dem Lehrplan.«
    »Ich habe gehört, wie du über Psychoanalyse gesprochen hast, und fand es interessant. Und das ist es ja auch.«
    »Inwiefern?«
    Woody hatte den Eindruck, dass Joanne ihn prüfte, um herauszufinden, ob er das Buch wirklich verstanden hatte oder nur so tat. »Zum Beispiel die Vorstellung, dass etwas Verrücktes eine Art verborgene Logik haben kann. Wenn jemand zwanghaft Tinte auf ein Tischtuch kleckert, solche Sachen.«
    Joanne nickte. »Ja, genau. Sehe ich auch so.«
    Woody erkannte, dass sie keinen blassen Schimmer hatte, wovon er redete. Im Wissen über Freud hatte er Joanne bereits überrundet, aber es war ihr peinlich, dies zuzugeben.
    »Was machst du denn am liebsten?«, fragte Woody. »Gehst du gern ins Theater? Hörst du gern klassische Musik? Ein Kinobesuch ist sicher nichts Besonderes für dich, wo deinem Vater hundert Kinos gehören, oder?«
    »Wieso fragst du?«
    Woody beschloss, ehrlich zu sein. »Ich wollte dich fragen, ob du mit mir was unternimmst …«
    »Und?«
    »Ich möchte dich mit etwas locken, was du wirklich gern tust. Also sag es, und wir tun es.«
    Sie lächelte ihn an, aber es war kein Lächeln von der Art, auf die Woody gehofft hatte. Es war freundlich, aber auch mitfühlend und verriet ihm, dass er nun eine schlechte Neuigkeit hören würde. »Das

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