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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Murrays Sohn, Lieutenant Jimmy Murray, lachte laut auf – offenbar ging ihm die Sittenstrenge seines Vaters ab. Die Söhne der Fitzherberts, Boy und Andy, betraten den Salon gemeinsam. Boys Reaktion war für Daisy die interessanteste von allen: Wie unter dem Einfluss von Hypnose starrte er auf die Mädchen. Er versuchte, es mit Fröhlichkeit zu überspielen, doch er war unübersehbar auf merkwürdige Art verzaubert.
    Beim Essen nahmen die Mädchen Daisys Scherz auf und redeten wie Männer mit tiefen Stimmen und ungezügeltem Ton, was die anderen zum Lachen brachte. Lindy hob ihr Weinglas und fragte: »Wie schmeckt dir dieser Bordeaux, Liz?«
    Lizzie antwortete: »Ich finde ihn ein bisschen wässrig, alter Junge. Ich hab das Gefühl, Bing hat ihn gepanscht.«
    Das ganze Abendessen hindurch ertappte Daisy Boy dabei, wie er sie anstarrte. Er hatte keine Ähnlichkeit mit seinem stattlichen Vater, sah dank der blauen Augen seiner Mutter aber trotzdem gut aus. Doch mit der Zeit wurde Daisy sein Starren so unangenehm, als würde er ihre Brüste begaffen. Um den Bann zu brechen, fragte sie: »Dann haben Sie also auch die Prüfungen abgelegt, Boy?«
    »Gütiger Himmel, nein«, erwiderte er.
    »Er ist zu beschäftigt mit seinem Flugzeug, um groß zu studieren«, sagte sein Vater. Obwohl die Bemerkung als Kritik formuliert war, hörte es sich an, als wäre Fitz insgeheim stolz auf seinen Ältesten.
    Boy gab sich empört. »Eine Verleumdung!«
    Eva musterte ihn verwundert. »Wieso besuchen Sie die Universität, wenn Sie nicht studieren möchten?«
    »Manche Jungs sind nicht versessen auf ihren Abschluss, besonders, wenn sie nicht der akademische Typ sind«, erklärte Lindy.
    Lizzie fügte hinzu: »Besonders, wenn sie reich und faul sind.«
    »Aber ich studiere!«, protestierte Boy. »Ich habe nur nicht die Absicht, die Prüfungen abzulegen. Schließlich bin ich nicht darauf angewiesen, mir meinen Lebensunterhalt als Arzt oder so was zu verdienen.« Nach Fitz’ Tod würde Boy eines der größten Vermögen von ganz England erben, und seine glückliche Frau wurde Countess Fitzherbert.
    »Augenblick mal, wie war das? Haben Sie wirklich ein eigenes Flugzeug?«, fragte Daisy.
    »Aber ja, eine Hornet Moth. Ich gehöre dem Fliegerclub der Universität an. Wir benutzen einen kleinen Flugplatz vor der Stadt.«
    »Das ist ja wundervoll! Sie müssen mich mal mit nach oben nehmen!«
    »Oh nein, Liebes, nein!«, rief Daisys Mutter.
    »Hätten Sie denn keine Angst?«, fragte Boy.
    »Kein bisschen!«
    »Dann nehme ich Sie mit.« An Olga gerichtet, fügte er hinzu: »Es ist völlig ungefährlich, Mrs. Peshkov. Ich verspreche, Ihre Tochter in einem Stück zurückzubringen.«
    Daisy war begeistert.
    Das Gespräch wandte sich dem großen Thema des Sommers zu: Englands elegantem neuem König Edward VIII . und seiner Romanze mit Wallis Simpson, einer Amerikanerin, die von ihrem zweiten Ehemann getrennt lebte. Die Londoner Zeitungen schrieben nichts darüber, außer dass sie Mrs. Simpson auf die Liste der Gäste bei offiziellen Anlässen setzten. Daisys Mutter ließ sich die amerikanischen Blätter schicken; sie waren voller Spekulationen, ob Wallis sich von Mr. Simpson scheiden ließ und den König heiratete.
    »Das wäre ein Unding«, sagte Fitz. »Der König ist das Haupt der Kirche von England. Er kann auf keinen Fall eine geschiedene Frau ehelichen.«
    Als die Damen sich zurückzogen und die Herren dem Portwein und den Zigarren überließen, eilten die Mädchen nach oben, um sich umzuziehen. Daisy beschloss, ihre Weiblichkeit zu unterstreichen. Sie wählte ein Ballkleid aus rosaroter Seide mit winzigem Blumenmuster, zu der sie ein passendes Jäckchen mit kurzen Puffärmeln besaß.
    Eva trug ein atemberaubend schlichtes, ärmelloses schwarzes Seidenkleid. Im vergangenen Jahr hatte sie Gewicht verloren, ihre Frisur geändert und unter Daisys Anleitung gelernt, sich in einem nüchternen Stil zu kleiden, der ihr schmeichelte. Mittlerweile gehörte Eva praktisch zur Familie, und Olga genoss es, ihr Kleider zu kaufen. Für Daisy war sie die Schwester, die sie nie gehabt hatte.
    Als sie in Autos und Droschken die fünf Meilen bis ins Stadtzentrum fuhren, war es noch hell.
    In Daisys Augen gab es kein malerischeres Fleckchen auf Erden als Cambridge mit seinen gewundenen Straßen und den eleganten Collegegebäuden. Sie stiegen vor dem Trinity College aus. Daisy blickte hinauf zur Statue seines Gründers, König Heinrich VIII . Beim Durchqueren des

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