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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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gegen die Bolschewiken öffentlich gemacht hatte, und Tom hatte an Billys Seite in der Schlacht an der Somme gekämpft. Lloyd fand das sehr viel eindrucksvoller als ein Mahl mit der Königsfamilie.
    Lloyds Großmutter, Cara Williams, hatte ihnen Rinderschmorbraten und selbst gebackenes Brot serviert, und jetzt tranken sie Tee und rauchten. Wie immer, wenn Billy seine Eltern besuchte, waren Freunde und Nachbarn vorbeigekommen. Ein halbes Dutzend lehnte an den Wänden, rauchte im Stehen Pfeife und selbst gedrehte Zigaretten und füllte die kleine Küche mit dem Geruch nach Männern und Tabak.
    Billy besaß die untersetzte Statur und die breiten Schultern vieler Bergleute, aber im Gegensatz zu den anderen war er gut gekleidet und trug einen marineblauen Anzug mit sauberem weißem Hemd und roter Krawatte. Lloyd bemerkte, dass die anderen seinen Onkel meist mit dem Vornamen ansprachen, als wollten sie hervorheben, dass er einer von ihnen war und seine Macht allein durch ihre Stimmen erhielt. Lloyd selbst nannten sie »Boyo«, um deutlich zu machen, dass sie von ihm nicht allzu beeindruckt waren, nur weil er auf die Universität ging. Grandah hingegen redeten sie als »Mr. Williams« an. Vor ihm hatten sie wirklichen Respekt.
    Durch die offene Hintertür konnte Lloyd die Halde sehen, die aus taubem Gestein aus der Kohlemine bestand. Der Hügel wuchs stetig und grenzte mittlerweile an die Straße hinter dem Haus.
    Lloyd verbrachte die Sommerferien als schlecht bezahlter Organisator in einem Camp für arbeitslose Bergleute. Sie hatten vor, die Bibliothek des Miners’ Institute auf Vordermann zu bringen. Lloyd empfand die körperliche Arbeit des Abschleifens, Anstreichens und Zusammenbauens von Bücherregalen als belebende Abwechslung von der Lektüre Schillers auf Deutsch und Molières auf Französisch. Er genoss die Frotzeleien unter den Männern: Von seiner Mutter hatte er eine große Vorliebe für den walisischen Humor geerbt.
    Die Arbeit im Camp gefiel ihm, aber den Faschismus bekämpfte er damit nicht. Jedes Mal, wenn er sich erinnerte, wie er sich in der baptistischen Kapelle herumgedrückt hatte, während Boy Fitzherbert und seine Schlägertypen auf der Straße sangen und Steine durch die Fenster warfen, krümmte er sich innerlich. Wäre er doch hinausgegangen und hätte jemanden verprügelt! So dumm das gewesen wäre, er hätte sich besser gefühlt. Jeden Abend, bevor er einschlief, dachte er an jenen Tag.
    Er dachte auch an Daisy Peshkov in einer rosaroten Seidenjacke mit Puffärmeln.
    In der May Week hatte er Daisy noch ein zweites Mal gesehen. Er war zu einem Solistenkonzert in der Kapelle des King’s College gegangen, weil sein Zimmernachbar im Emmanuel das Cello spielte. Daisy hatte mit den Westhamptons im Publikum gesessen, einen Strohhut mit hochgeklappter Krempe auf dem Kopf, mit dem sie aussah wie ein ungezogenes Schulmädchen. Nach dem Konzert ging Lloyd zu ihr und stellte ihr Fragen über die Vereinigten Staaten, die er noch nie besucht hatte. Er wollte wissen, ob Präsident Roosevelts Regierung einen Rat für Großbritannienhabe, doch Daisy redete nur von Tennispartys, Polomatches und Jachtclubs. Dennoch schlug sie ihn erneut in ihren Bann. Lloyd mochte ihr fröhliches Geplauder, weil es hin und wieder von unerwarteten Stichen sarkastischen Scharfsinns durchsetzt war. Als er sagte: »Ich möchte Sie nicht von Ihren Freunden fernhalten, ich wollte mich nur nach dem New Deal erkundigen«, entgegnete sie: »Oh, Junge, Sie wissen wirklich, wie man einem Mädchen Komplimente macht.« Doch als sie sich voneinander verabschiedeten, hatte sie gesagt: »Rufen Sie mich doch mal an, wenn Sie wieder in London sind – Mayfair 2434.«
    Heute hatte Lloyd den Weg zum Bahnhof unterbrochen, um bei seinen Großeltern zu Mittag zu essen. Er hatte ein paar Tage frei und fuhr mit dem Zug auf einen Kurzurlaub nach London. Ein wenig hoffte er, zufällig Daisy über den Weg zu laufen, als wäre London eine Kleinstadt wie Aberowen.
    Nun berichtete Lloyd seinem Großvater über die politische Bildungsarbeit im Camp, für die er verantwortlich war. So hatte er beispielsweise eine Reihe von Vorträgen linksgerichteter Cambridger Dozenten vorbereitet. »Ich sage ihnen immer, dass es ihre große Chance ist, aus dem Elfenbeinturm herauszukommen und der Arbeiterklasse zu begegnen, da können sie schwer Nein sagen.«
    Grandahs blassblaue Augen blickten an seiner langen, scharfen Nase vorbei. »Ich hoffe, deine Jungs bringen ihnen das

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