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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Pförtnerhauses, einem Backsteinbau aus dem sechzehnten Jahrhundert, staunte Daisy über den Anblick, der sich ihr bot: ein großer viereckiger Hof, dessen kurz gestutzter Rasen von gepflasterten Wegen durchzogen wurde; in der Mitte erhob sich ein kunstvoll gestalteter Springbrunnen. Auf allen vier Seiten bildeten von Wind und Wetter gezeichnete Gebäude aus goldfarbenem Stein den Hintergrund, vor dem junge Männer in Fräcken mit prachtvoll gekleideten Mädchen tanzten. Dutzende Kellner in Abendkleidung boten auf überquellenden Tabletts Champagner dar. Daisy klatschte vor Entzücken in die Hände: So liebte sie das Leben.
    Sie tanzte erst mit Boy, dann mit Jimmy Murray und schließlich mit Bing, der sie eng hielt und die rechte Hand hinunter bis zum Ansatz ihrer Hüfte gleiten ließ. Daisy beschloss, keinen Einwand zu erheben. Die englische Band spielte eine zwar verwässerte, aber wenigstens laute und schnelle Imitation von amerikanischem Jazz, und sie kannte sämtliche neuen Hits.
    Die Nacht brach an, und der Innenhof wurde mit strahlenden Fackeln beleuchtet. Daisy nutzte eine Pause, um nach Eva zu sehen, die weniger selbstsicher war und manchmal jemanden brauchte, der sie anderen vorstellte. Doch sie hätte sich keine Sorgen machen brauchen: Sie fand Eva im Gespräch mit einem umwerfend gut aussehenden Studenten in einem zu großen Anzug. Eva stellteihn als Lloyd Williams vor. »Wir haben über den Faschismus in Deutschland gesprochen«, erklärte Lloyd, als ginge er davon aus, dass Daisy an einem solchen Gespräch teilnehmen wollte.
    »Wie außerordentlich langweilig«, sagte sie.
    Lloyd schien sie nicht gehört zu haben. »Ich war vor drei Jahren in Berlin, als Hitler an die Macht kam. Ich habe Eva damals nicht kennengelernt, aber wie sich herausgestellt hat, haben wir gemeinsame Bekannte.«
    Jimmy Murray kam zu ihnen und bat Eva um einen Tanz. Lloyd war sichtlich enttäuscht, als sie entschwand, doch er besann sich seiner Manieren und forderte höflich Daisy auf, und sie gingen näher an die Band heran.
    »Was für eine interessante Person Ihre Freundin Eva ist«, sagte Lloyd.
    »Oh, danke, Mr. Williams. Es ist der Herzenswunsch jedes Mädchens, so etwas vom Tanzpartner zu hören«, entgegnete Daisy spitz. Sie hatte es kaum ausgesprochen, als sie ihre Worte auch schon bedauerte, weil sie bestimmt schnippisch klangen.
    Doch Lloyd war belustigt. »Sie haben völlig recht. Sie haben allen Grund, mich zurechtzuweisen. Ich muss versuchen, mehr Kavalier zu sein.«
    Daisy mochte ihn gleich viel lieber, weil er über sich selbst lachen konnte. Das bewies Selbstbewusstsein.
    »Wohnen Sie auf Chimbleigh, so wie Eva?«
    »Ja.«
    »Dann müssen Sie die Amerikanerin sein, die Ruby Carter das Geld für den Zahnarzt geschenkt hat.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Ruby ist eine Freundin von mir.«
    Daisy war überrascht. »Freunden sich hier viele Studenten mit Hausmädchen an?«
    »Meine Güte, wie snobistisch! Meine Mutter war ein Hausmädchen, ehe sie Parlamentsabgeordnete wurde.«
    Daisy spürte, wie sie errötete. Sie hasste Snobismus und warf ihn oft anderen vor, besonders in Buffalo; sie selbst hatte sich solcher Allüren stets für unschuldig gehalten. »Da habe ich bei Ihnen aber ganz schön auf dem falschen Fuß angefangen, was?«, fragte sie, als der Tanz zu Ende ging.
    »Eigentlich nicht«, erwiderte Lloyd. »Sie finden es langweilig, über den Faschismus zu reden, aber Sie nehmen einen deutschen Flüchtling in Ihr Haus auf und laden ihn sogar ein, mit Ihnen nach England zu reisen. Sie sprechen einem Hausmädchen das Recht ab, sich mit Studenten anzufreunden, aber Sie geben Ruby Geld, damit sie zum Zahnarzt gehen kann. Ich bezweifle, dass ich heute Abend ein Mädchen kennenlerne, das auch nur halb so faszinierend ist wie Sie.«
    »Das werte ich als Kompliment.«
    »Da kommt Ihr faschistischer Freund, Boy Fitzherbert. Soll ich ihn für Sie vergraulen?«
    Daisy spürte, dass Lloyd die Gelegenheit, sich mit Boy zu streiten, sehr genossen hätte. »Ganz bestimmt nicht!«, rief sie und wandte sich lächelnd Boy zu.
    Boy nickte Lloyd knapp zu. »’n Abend, Williams.«
    »Guten Abend«, erwiderte Lloyd. »Ich war enttäuscht, dass Ihre Faschisten letzten Samstag die Hills Road entlangmarschiert sind.«
    »Ach, das. Die Jungs haben sich wohl ein bisschen hinreißen lassen.«
    »Ich habe mich gewundert, weil Sie mir Ihr Wort gegeben hatten, dass es nicht dazu kommt.« Daisy bemerkte, dass Lloyd hinter seiner Maske kühler

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