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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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er das?«
    »Vielleicht gehe ich mit. Was hältst du davon?«
    Lloyd hatte mit Widerstand gerechnet; dennoch überraschte ihn ihre Reaktion. »Wag das ja nicht, verdammt!«, fuhr sie ihn an. Ethel teilte die Abneigung ihrer Mutter gegen das Fluchen nicht. »Sprich nie wieder davon!« Sie knallte die Teekanne auf den Küchentisch. »Ich habe dich in Schmerz und Leid zur Welt gebracht und dich großgezogen, habe dir Schuhe für deine Füße gekauft und dich zur Schule geschickt. Das alles habe ich nicht getan, damit du dein Leben in einem beschissenen Krieg wegwirfst!«
    Lloyd war entsetzt. »Ich will mein Leben nicht wegwerfen. Aber vielleicht riskiere ich es für eine Sache, an die ich glaube, weil du mich dazu erzogen hast.«
    Zu seinem Erstaunen begann sie zu schluchzen. Sie weinte nur selten – Lloyd konnte sich an das letzte Mal gar nicht erinnern.
    »Nicht weinen, Mutter.« Er legte ihr den Arm um die bebenden Schultern. »Noch ist es ja nicht so weit.«
    Bernie kam in die Küche, ein untersetzter Mann in mittleren Jahren mit kahlem Scheitel. »Was ist los?«, fragte er. Er wirkte ein bisschen ängstlich.
    »Tut mir leid, Dad, ich habe Mutter aufgeregt.« Lloyd trat zurück, damit Bernie die Arme um Ethel legen konnte.
    »Er geht nach Spanien!«, heulte sie auf. »Da bringen sie ihn um!«
    »Beruhigen wir uns erst mal und reden in Ruhe darüber«, sagte Bernie. Er war ein nüchterner Mann in einem nüchternen dunklen Anzug und geflickten Schuhen mit praktischen dicken Sohlen. Ohne Zweifel stimmten die Menschen deshalb für ihn. Er war Lokalpolitiker und vertrat Aldgate im Londoner Stadtrat. Lloyd hatte seinen leiblichen Vater nie kennengelernt und konnte sich nicht vorstellen, ihn lieber zu mögen als Bernie. Bernie Leckwith war stets ein gütiger Stiefvater gewesen, immer bereit zu Trost und Rat, immer zögerlich bei Befehlen oder Strafen. Er behandelte Lloyd nicht anders als seine leibliche Tochter Millie.
    Bernie brachte Ethel dazu, sich an den Küchentisch zu setzen, und Lloyd schenkte ihr eine Tasse Tee ein.
    »Ich habe einmal geglaubt, mein Bruder wäre gefallen.« Ethel rannen noch immer Tränen über die Wangen. »Die Telegramme mit den Todesnachrichten kamen jedes Mal zur Wellington Row, und der arme Junge von der Post musste von einem Haus zum nächstengehen und Männern und Frauen die Zettel geben, auf denen stand, dass ihre Söhne und Männer gefallen waren. Wie hieß der arme Bursche gleich? Geraint, glaube ich. Jedenfalls, für unser Haus hatte er kein Telegramm. Und was habe ich sündige Frau getan? Ich habe Gott gedankt, dass andere gestorben waren, nicht unser Billy.«
    »Du bist keine sündige Frau.« Bernie tätschelte ihr die Schulter.
    Lloyds Halbschwester Millie kam die Treppe herunter. Sie war sechzehn, sah aber älter aus, besonders an einem Abend wie heute, wenn sie ein elegantes schwarzes Kleid und kleine Goldohrringe trug. Zwei Jahre lang hatte sie in einem Damenmodegeschäft in Aldgate gearbeitet, doch sie war klug und ehrgeizig und hatte vor wenigen Tagen eine Anstellung in einem mondänen Kaufhaus im Westend gefunden. Nun schaute sie Ethel an und fragte: »Was ist los, Mam?« Sie sprach mit Cockneyakzent.
    »Dein Bruder will nach Spanien, sich umbringen lassen!«, jammerte Ethel.
    Millie blickte Lloyd vorwurfsvoll an. »Was hast du ihr denn gesagt?« Millie suchte bei ihrem Bruder immer nach einem Haar in der Suppe, war sie doch der Meinung, dass man ihn zu Unrecht vergötterte.
    Lloyd antwortete: »Lenny Griffiths aus Aberowen zieht in den Kampf gegen die Faschisten. Ich habe Mam gesagt, dass ich überlege, mit ihm zu gehen.«
    »Das sieht dir ähnlich«, sagte Millie abschätzig.
    »Ich bezweifle, dass du überhaupt dahin kommst«, sagte Bernie, wie immer ganz praktisch. »Schließlich ist das Land mitten im Bürgerkrieg.«
    »Ich kann mit dem Zug nach Marseille fahren. Barcelona ist nicht weit von der französischen Grenze.«
    »Achtzig oder neunzig Meilen. Und in den Pyrenäen wird es ganz schön kalt.«
    »Von Marseille nach Barcelona müssen Schiffe fahren. Auf See ist die Entfernung nicht so groß.«
    »Das stimmt.«
    »Hör auf, Bernie!«, schluchzte Ethel. »Das hört sich an, als würdet ihr darüber sprechen, wie man am schnellsten zum Piccadilly Circus kommt. Lloyd redet davon, in den Krieg zu ziehen! Das erlaube ich nicht!«
    »Lloyd ist einundzwanzig«, erwiderte Bernie. »Wir können ihn nicht davon abhalten.«
    »Ich weiß selbst, wie alt er ist,

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