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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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verdammich!«
    Bernie blickte auf die Uhr. »Wir müssen zu der Versammlung, Ethel. Du bist die Hauptrednerin. Und Lloyd wird ja nicht schon heute Abend nach Spanien aufbrechen.«
    »Woher willst du das wissen?«, fragte sie. »Vielleicht kommen wir nach Hause und finden bloß noch einen Zettel von ihm, wo draufsteht, dass er den Zug zur Fähre nach Calais genommen hat!«
    »Ich sag euch was. Lloyd, versprich deiner Mutter, dass du wenigstens noch einen Monat warten wirst. Das ist sowieso keine schlechte Idee. Du solltest nicht überstürzt aufbrechen, sondern dich mit der Lage in Spanien vertraut machen. Dann kann deine Mutter sich ein bisschen beruhigen. Danach reden wir noch einmal über die Sache.«
    Der Vorschlag war ein Kompromiss, wie er für Bernie typisch war, darauf ausgelegt, dass jeder einen Schritt zurück machen konnte, ohne seine Position aufzugeben. Dennoch zögerte Lloyd. Andererseits konnte er wirklich nicht einfach in den nächsten Zug springen. Erst musste er in Erfahrung bringen, welche Vereinbarungen die spanische Regierung mit den Freiwilligen treffen würde. Im Idealfall käme er mit Lenny und den anderen in die gleiche Einheit. Er brauchte ein Visum, ausländisches Geld, ein Paar Stiefel …
    »Also gut«, sagte er. »Den nächsten Monat bleibe ich hier.«
    »Versprich es«, verlangte seine Mutter.
    »Ich versprech’s.«
    Ethel beruhigte sich. Sie puderte ihr Gesicht, trank ihren Tee aus und machte sich mit Bernie auf den Weg.
    »Tja, ich bin dann auch weg«, sagte Millie.
    »Wohin gehst du?«, fragte Lloyd.
    »Ins Gaiety.«
    Das Gaiety war ein Varietétheater im Eastend. »Lassen sie da Sechzehnjährige rein?«
    Millie wölbte die Augenbrauen. »Wer ist hier sechzehn? Ich nicht. Übrigens geht Dave auch hin, und der ist erst fünfzehn.« Sie sprach von ihrem Cousin David Williams, dem Sohn von Onkel Billy und Tante Mildred.
    »Na gut, dann viel Spaß.«
    Millie ging zur Tür, kam aber noch einmal zurück. »Lass dich bloß nicht in Spanien umbringen, du dämlicher Trottel.« Sie legte die Arme um ihn und drückte ihn fest an sich. Dann verließ sie ohne ein weiteres Wort das Haus.
    Als Lloyd hörte, wie die Tür zuknallte, ging er zum Telefon.
    Er brauchte nicht nachzudenken, um sich an die Nummer zu erinnern. Er sah Daisy vor sich, wie sie sich im Gehen noch einmal zu ihm umdrehte, ein gewinnendes Lächeln auf dem hübschen Gesicht, und sagte: »Mayfair 2434.«
    Er nahm den Hörer ab und wählte.
    Was sollte er ihr sagen? »Sie haben gesagt, ich soll anrufen, und hier bin ich.« Nein, das war lasch. Die Wahrheit? »Ich bewundere Sie nicht, aber Sie gehen mir einfach nicht aus dem Sinn.« Nein, er müsste sie zu etwas einladen, aber wozu? Einer Labour-Versammlung?
    Ein Mann kam ans Telefon. »Hier ist der Wohnsitz von Mrs. Peshkov, guten Abend.« Dem unterwürfigen Ton nach zu urteilen, war es der Butler. Daisys Mutter hatte in London gewiss ein ganzes Haus komplett mit Personal gemietet.
    »Hier spricht Lloyd Williams …« Er wollte etwas sagen, das seinen Anruf erklärte oder rechtfertigte, und fügte hinzu, was ihm als Erstes in den Sinn kam: »… vom Emmanuel College.« Zwar war es bedeutungslos, doch Lloyd hoffte, dass es sich beeindruckend anhörte. »Könnte ich bitte Miss Daisy Peshkov sprechen?«
    »Nein, tut mir leid, Professor Williams«, sagte der Butler, der Lloyd offenbar für einen Dozenten hielt. »Die ganze Familie ist in der Oper.«
    Natürlich, dachte Lloyd enttäuscht. Die feine Gesellschaft ist um diese Zeit nicht zu Hause, schon gar nicht an einem Samstag. »Ja, stimmt, ich erinnere mich«, log er. »Sie hatte mir gesagt, dass sie dort hingeht. Ich hab’s ganz vergessen. Covent Garden, nicht wahr?« Lloyd hielt den Atem an.
    Doch der Butler war nicht misstrauisch. »Jawohl, Sir. Die Zauberflöte, glaube ich.«
    »Vielen Dank.« Lloyd legte auf.
    Er ging auf sein Zimmer und zog sich um. Im Westend trugen die meisten Leute selbst im Kino Abendgarderobe. Doch was sollte er tun, wenn er dort ankam? Eine Eintrittskarte für die Oper konnte er sich nicht leisten, und die Aufführung wäre ohnehin fast zu Ende.
    Er fuhr mit der U-Bahn. Das Königliche Opernhaus stand unpassenderweise gleich neben dem Covent Garden, dem Londoner Großmarkt für Obst und Gemüse. Die beiden Institutionen kamen gut miteinander zurecht, weil sie zu unterschiedlichen Zeiten aktiv waren: Der Markt öffnete gegen drei oder vier Uhr morgens, wenn auch die ärgsten Londoner Nachtschwärmer nach

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