Winter der Zärtlichkeit
Mann anhörte, der solche Entscheidungen selbst traf. „Könnte sein, dass ihre Wasserpumpen eingefroren sind. Außerdem sind wir nicht sicher, ob sie genügend Brennholz hat.“
Aus den Augenwinkeln nahm Hannah wahr, dass Doss sie beobachtete.
„Geh doch schon mal raus und sieh mal nach der Kuh“, bat Doss Tobias. „Vergewissere dich, dass kein Eis in dem Trog ist.“
Natürlich wusste Hannah, dass dies ein Vorwand war, um mit ihr allein sprechen zu können, und das ärgerte sie. Sie unterdrückte den Drang, sich übers Haar zu fahren oder sich die Röcke glattzustreichen.
Tobias verschwand pfeifend durch die Hintertür.
„Er ist noch nicht kräftig genug, um bei diesem Wetter zu den Jessups zu reiten“, sagte sie. „Es sind vier Meilen, und ihr müsst den Fluss durchqueren.“
„Hannah. Dem Jungen geht es gut.“
Als sie daran dachte, was sie alles auf dem Zimmerboden getan hatten, sie und dieser Mann, errötete Hannah ebenfalls. Seufzend hob sie das Kinn ein wenig, damit er nicht glaubte, dass sie sich schämte.
„Wegen letzter Nacht ...“, begann Doss, als hätte er ihre Gedanken erraten. Er sah verstört aus.
Sie wartete, ihre Wangen mussten inzwischen dunkelrot sein. Insgeheim wünschte sie sich, die Erde würde sich vor ihr auftun und sie würde hineinfallen, am liebsten gleich bis nach China, damit niemand jemals wieder von ihr hörte.
Doss fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Es tut mir leid“, sagte er.
Zwar hatte sie auch mit nichts anderem gerechnet als Scham, aber dennoch traf es sie. „Nun, wir werden einfach so tun ...“ Sie musste sich räuspern und ein paarmal blinzeln, bevor sie weitersprechen konnte. „Wir werden einfach so tun, als ob nichts geschehen wäre.“
„Hannah, es ist geschehen, das lässt sich nicht mehr ändern.“
Ihr Blick war auf den Boden gerichtet. „Was sollen wir denn sonst tun, Doss?“, wisperte sie.
„Mal angenommen, du wirst schwanger?“
An diese Möglichkeit hatte Hannah noch nicht gedacht, obwohl der Gedanke jetzt bei Tageslicht eigentlich auf der Hand lag. Keuchend griff sie sich an die Kehle.
Wie würden sie das nur Tobias erklären? Oder den McKet- tricks und den Leuten von Indian Rock?
„Dann müsste ich nach Montana gehen“, sagte sie nach einer langen Pause. „Zu meinen Eltern.“
„Aber nicht mit meinem Kind unter deinem Herzen, ganz sicher nicht“, erwiderte Doss so scharf, dass Hannah ihn erschrocken ansah.
„Doss, der Skandal ... “
„Zum Teufel mit dem Skandal!“
Plötzlich ganz mutlos, sank Hannah auf Holts Stuhl am Tisch. „Vielleicht bin ich es gar nicht. Bei einem einzigen Mal...“ „Vielleicht bist du es“, beharrte Doss.
Natürlich hatte sie sich noch mehr Kinder gewünscht, aber nicht auf diese Art und Weise. Nicht außerehelich und vom Bruder ihres verstorbenen Mannes. Die Leute würden sie eine Hure nennen, nicht ganz unbegründet, und sie würden auch Tobias das Leben schwer machen. Mit den Fingern würden sie auf ihn zeigen und hinter vorgehaltener Hand flüstern. Die anderen Kinder würden ihn hänseln.
„Was sollen wir also tun?“, fragte sie.
Er durchquerte den Raum, setzte sich rittlings auf die lange Bank, so nahe, dass sie seine Hitze spürte, die wie das gut geschürte Feuer im Küchenofen loderte.
Seine Nähe ließ sie an Dinge denken, die sie lieber vergessen wollte.
„Wir haben nur eine Möglichkeit, Hannah. Wir werden heiraten.“
Vollkommen fassungslos starrte sie ihn an. „Heiraten?“
„Das wäre das Anständigste.“
Das Wort versetzte Hannah einen Stich. Sie war eine stolze Frau, die immer ein achtbares Leben geführt hatte. Bis gestern Nacht.
„Wir lieben uns nicht“, erwiderte sie leise. „Und überhaupt, vielleicht bin ich gar nicht..."
„Das Risiko will ich nicht eingehen“ unterbrach Doss sie. „Sobald die Wege etwas passierbarer sind, reiten wir nach Indian Rock, um zu heiraten.“
„Da habe ich wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden“, protestierte Hannah.
Draußen auf der hinteren Veranda klopfte Tobias seine Stiefel gegen die Treppe, um den Schnee abzuschütteln.
„Bist du sicher?“, fragte Doss.
6 Kapitel
Heute
W ährend Travis und Liam im Stall nach den Pferden sahen, inspizierte Sierra den alten Küchenherd. Dann suchte sie nach einer Bratpfanne und nahm Speck und Eier aus dem dunklen und stillen Kühlschrank. Als die Speckstreifen in der Pfanne zu brutzeln begannen, erfüllte sie ein kleines Triumphgefühl.
Sie kochte auf einem
Weitere Kostenlose Bücher