Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)
weg. Er fiel neben der Tür zu Boden, schlug schmerzhaft mit dem Rücken auf, doch er merkte es kaum. Unter der peitschenden Energie kam es ihm vor, als würde seine Haut Feuer fangen und jede andere Empfindung verzehren.
Winter Starr war plötzlich vom Seil befreit, mit dem er sie gefesselt hatte, und fixierte ihn reglos am anderen Ende des Raums, die Augen glühend von einem übernatürlichen Licht. Es waren die Augen ihres Vaters.
In ihr war weder Überlegung noch Berechnung. Es war reiner Instinkt, die reine MACHT , ein Entfesseln all dessen, was sechzehn Jahre lang alle erwartet und gefürchtet hatten.
Erweckt, um sie zu beschützen, floss die unmenschliche Vibration jetzt in ihren Adern, durchdrang alle ihre Empfindungen und brach wie ein Orkan über alles herein, was sie umgab.
Winter wurde von heftigen Schauern geschüttelt. Jede Faser ihres Körpers verlangte danach anzugreifen.
Regungslos beobachtete Iago Rhoser ihren Kampf mit sich selbst.
Dann hallten aufgeregte Stimmen im Korridor, kamen rasch näher und Winter klammerte sich verzweifelt an das Geräusch.
Alles drehte sich in ihrem Kopf. Mit einem heiseren Keuchen rang sie nach Luft, Tränen flossen ihr aus den Augen.
Endlich drangen vier Personen in den Raum ein und der Albtraum hatte ein Ende.
Winter wankte und konnte gerade noch von Darran Vaughan aufgefangen werden, bevor sie umfiel.
»Würden Sie uns bitte sagen, was hier vorgeht, Exekutor?«, fragte einer der Neuankömmlinge.
Iago Rhoser erhob sich schwerfällig.
»Was hier vorgeht, Mr Fennah, ist der Auftakt zum Fest.«
Bei der Betrachtung des bunten Grüppchens seiner Retter musste er grinsen: Susan Bray, Aeron Fennah, sogar der Großmeister war gekommen.
Schweigen legte sich über den Raum, durchbrochen nur von den Schluchzern des Mädchens.
»Ich wollte unseren Gast auf die Begegnung mit den Ratsältesten vorbereiten«, sagte Rhoser schließlich. »Ich wollte sie an ein paar Grundregeln erinnern …«
»Ich hoffe, Sie sind nicht allzu harsch umgegangen mit einem so kostbaren Geschöpf«, unterbrach ihn der Großmeister mit wohlüberlegter Ungezwungenheit.
Alles an ihm ließ eine jahrhundertealte Existenz erkennen: das alterslose Gesicht, der tiefgründige Blick, der die Welt seit Urzeiten zu kennen schien. Sogar in diesem Moment, wo die Luft vom Nachklang der MACHT gesättigt war, spürten alle Anwesenden seine besondere Kraft.
»Ich war es, der am Boden lag, Mr Lochinvar«, erwiderte Rhoser mit einem sarkastischen Lächeln. »Ihr kostbares Geschöpf ist lediglich erschrocken über das, was es mir angetan hat …«
Oder über das, was geschehen wäre, wenn die
MACHT
euch nicht gerufen hätte
, dachte er bei sich. Er warf einen Blick auf das, was von seinem Seil übrig geblieben war: Asche, rauchende Fetzen. Es schien in Tausende nicht wiedererkennbare Teilchen explodiert zu sein.
»Nun gut, meine Herren«, sagte er mit frostiger Fröhlichkeit und ging zur Tür, »genießen Sie den Untergang, der Sie erwartet!«
S o war das nicht geplant, Rhoser!«
Der Exekutor drehte sich abrupt zu Susan Bray um, die ihm auf dem Korridor hinterhergerannt war.
»Nicht von Ihnen vielleicht …«, erwiderte er mit irritierender Kälte.
Susan war ihm aus reinem Instinkt gefolgt. Sie hatte den Eindruck, dass sich die Szene etwas anders abgespielt hatte, als Rhoser es darstellte.
Und ihrer Meinung nach gab es Grenzen, die nicht überschritten werden durften.
»Betrachten Sie unser Abkommen als aufgehoben«, erklärte sie ungeachtet ihrer Angst vor ihm.
Der Mann packte sie am Handgelenk und zog sie hinter sich her in einen leeren Raum.
»Ich dachte, Sie hätten die Lage begriffen, Bray«, zischte er und ließ sie los.
Susan machte einen Schritt rückwärts.
»Was ich begriffen habe, ist, dass Sie soeben versucht haben, einen meiner Schützlinge zu ermorden, Mr Rhoser. Ein sechzehnjähriges Mädchen …«
Das verunstaltete Gesicht des Mannes verzog sich zu einem bösartigen Lächeln.
»Mir tut einzig leid, dass ich es dann doch nicht getan habe. Ich habe damit möglicherweise die letzte Gelegenheit meines Lebens vertan.«
»Sie sind wahnsinnig!«
»Nein«, erwiderte Rhoser hart, »die Wahnsinnigen seid ihr: Fennah und Lochinvar … die einen Wettstreit austragen, um Winter Starr in ihre Hände zu bekommen, und die jetzt dabei sind, das Mädchen über alles aufzuklären.«
Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, seine Finger berührten die unauslöschliche Erhebung der
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