Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)
starrte wie gebannt nach vorn und ließ sich nicht das geringste Detail entgehen.
»O Gott, hast du gesehen?« Erregt stieß sie ihre Banknachbarin mit dem Ellbogen in die Seite.
Schon seit dem Vortag sprachen Cynthia Earle und die anderen, die bereits das Glück gehabt hatten ihn kennenzulernen, nur noch von dem neuen Lehrer. Die Mädchen behaupteten, er sei ein faszinierender Typ, die Jungs bezeichneten ihn als »speziell«.
Als Winter sich endlich entschloss, den Blick auf ihn zu richten, war sie so verwundert, dass sie nicht zu entscheiden vermochte, wem sie recht geben sollte.
»Guten Tag«, begann der Mann. »Wie ihr vielleicht schon wisst, ich bin Darran Vaughan.«
Er hatte ein schmales und fein geschnittenes Gesicht, wie man sie auf mittelalterlichen Flachreliefs sieht, außerdem sehr helle und kalte Augen, die er nun streng über die Anwesenden gleiten ließ. Sein Gesicht war unergründlich, beinahe ausdruckslos, doch die Schüler hatten den Eindruck, dass ihm ein einziger Blick genügte, um sie einzuschätzen.
Ein Blick, der eindeutig befangen machte.
»Die Ergänzungskurse bringen keinen zusätzlichen Arbeitsaufwand mit sich. Mr Harris und ich sind dabei, einen Umverteilungsplan auszuarbeiten.«
Seine Stimme war weniger kalt, als Winter angenommen hatte, und sein Ausdruck wurde zunehmend freundlicher.
Seine kurzen und sehr gepflegten Haare, die zunächst fast weißblond gewirkt hatten, nahmen nun eine honigfarbene Tönung an.
»Für einige fakultative Kurse wird eine gesonderte Bescheinigung ausgestellt. Die Teilnehmerzahl ist beschränkt, und sie sind ausschließlich den Schülern eures Jahrgangs vorbehalten.«
Fotokopien des Programms wurden in den Bankreihen herumgereicht.
»Die Anmeldeformulare könnt ihr direkt in meinem Büro abholen«, erklärte Vaughan.
Er lotete weiterhin das Klassenzimmer aus, auf eine Art, die es unmöglich machte, die Aufmerksamkeit von seinem Gesicht abzulenken.
»Entschuldigen Sie …«
Cameron Farlands Stimme hallte beinahe in der Stille.
Wie üblich verkrampfte sich Lorna Carter und Winter hatte den Eindruck, dass diese Tatsache dem neuen Lehrer nicht entgangen war.
Eine Spur Neugier leuchtete in Vaughans Augen auf, als er sich an Farland wandte.
»Ja, bitte?«
»Ich wollte fragen, wann diese Kurse beginnen …«
»In ungefähr zehn Tagen. Die genauen Daten werden auf dem Schwarzen Brett ausgehängt. Hat sonst noch jemand eine Frage?«
Niemand hob die Hand.
Der Vormittag verging langsam, in einer irgendwie beruhigenden Eintönigkeit, und am frühen Nachmittag begleitete Winter Eleri, Gareth und Dylis Allbright zum Footballplatz, wo die Auswahl der neuen Mannschaftsmitglieder stattfinden sollte. Das unsichere Wetter hatte viele Schüler abgeschreckt, und die Sitzreihen der Tribüne waren halb leer.
Trevor Biven hatte keine große Chance, aufgenommen zu werden, was größtenteils daran lag, dass der gegenwärtige Mannschaftskapitän keinerlei Sympathien für ihn hegte und nichts unversucht ließ, um ihm einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen.
»Lloyd ist ein Idiot«, murrte Dylis und starrte mit kampflustigem Blick auf seinen Rücken auf dem Spielfeld.
Mit ihrer eckigen Brille sah sie nicht gerade wie ein typischer Sportfan aus, doch seit sie sich auf die Tribüne gesetzt hatten, war ihr kein einziger Vorgang der Mannschaftsauswahl entgangen, zumindest was die Leistungen Trevors betraf.
Eleri dagegen sah sich unbeschwert um.
»Wir wussten doch alle, dass es so kommen würde«, sagte sie. Dann hielt sie plötzlich die Handflächen prüfend in die Luft.
Es begann zur Abwechslung wieder einmal zu regnen, und Eleri betrachtete missmutig die klaren Tropfen auf ihren Händen.
»Ungünstige klimatische Bedingungen …«, kommentierte sie und drehte sich zu ihrem Bruder um, der jedoch keine Reaktion zeigte.
Gareth stand mit verschränkten Armen abseits.
Winter hatte keine Ahnung, was ihm durch den Kopf ging, und sie vermutete, dass es auch sonst niemand wusste. Sie hatte ihn noch nie in diesem Zustand gesehen, musste es aber wohl akzeptieren, schließlich war auch sie nicht gerade in fröhlicher Stimmung.
Eleri startete einen letzten Versuch: »Warum nimmst du eigentlich nicht an der Auswahl teil?«
Im Gegensatz zu Winter ertrug sie Gareths miese Laune nur schlecht. Oder vielleicht lag es auch einfach daran, dass sie sich zwischen ihnen beiden und Dylis, die ihre Augen nicht von Trevor abwenden konnte, zu langweilen begann.
Gareth wandte
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