Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)
Lass es gut sein, Win …«
Er erntete einen harten Blick, voller Zorn, und fühlte sich schuldig.
»Was willst du damit sagen?«
»Nichts Besonderes: Ich habe nichts gegen Lorna Carter. Aber wenn man mit ihr verkehrt, hat man etwas zu viel mit Farland und seinen Kumpanen zu tun … und das ist nicht gut.«
Schon wieder die Nox. Warum?
»Warum?«, wiederholte Winter laut. »Cameron ist ein Aas, das steht außer Frage. Aber wieso soll ich die Nox meiden? Ihr wiederholt das immer alle, aber niemand macht sich je die Mühe, mir zu erklären, warum!«
Gareth verkrampfte sich auf der Stelle.
»Weil sie nichts mit uns gemein haben«, antwortete er. Und sein Tonfall ließ erkennen, dass er nicht im Sinn hatte, weiter darüber zu sprechen.
Winter atmete geräuschvoll aus. Der Eindruck, dass sich da irgendwo ein Mysterium verbarg, war nun zur Gewissheit geworden.
»Belassen wir es dabei. Tun wir so, als hätte dieses Gespräch nie stattgefunden«, murmelte sie und erhob sich. Sie wollte nicht mit ihm streiten, noch nicht.
Sie ging zur Tür und der Junge schwieg beharrlich.
Doch dann konnte er sich nicht mehr zurückhalten: Es gab eine Lösung und sie war geradezu schmerzlich einfach.
Winter hatte schon die Hand auf der Klinke, als Gareth sie zurückrief.
»Sag, warum willst du eigentlich unbedingt hierbleiben?«, fragte er sie und sah ihr direkt in die Augen. »Wäre es nicht einfacher, wenn du weggingest? Du müsstest nur mit deiner Anwältin sprechen.«
Winter presste die Lippen zusammen und blieb nachdenklich stehen. Die Frage hatte sie sich noch nie gestellt.
Ist es so? Will ich hierbleiben?
An einem Ort, der sie verstörte, ihr Angst machte, und sie dennoch im Innersten anzog …
Ja, sagte sie sich, warum eigentlich?
Ihre Antwort war keine Lüge.
»Ich weiß es nicht«, flüsterte sie. »Vielleicht ist es genau das, was ich herausfinden muss.«
Winter hasste es, Angst zu haben, und die Nächte in Cae Mefus waren ein wenig zu furchterregend für ihren Geschmack.
Eigentlich konnte sie nicht viel tun, außer sich Pfefferspray anzuschaffen.
Sie war es jedoch leid zu warten, bis ein neues, unvorhergesehenes Vorkommnis über sie hereinfiel. Sie musste handeln.
Also setzte sie sich erneut an den Computer.
Suchbegriffe: Aggression, Cae Mefus, Conwy.
Start.
Sie hatte einen Haufen Resultate erwartet, die in stundenlanger Arbeit sondiert werden mussten. Ein knappes Dutzend Zeitungsartikel erinnerte sie jedoch daran, dass sie nicht mehr in London lebte.
Schäferhund fällt Angestellten an.
Rauferei nach dem Fußballspiel, Student verletzt.
Unruhen bei der Wohnungseigentümerversammlung.
Der Distrikt Conwy schien das ruhigste Fleckchen Erde zu sein, kein Wunder, dass die Vormundschaftsbehörde sie hierhergeschickt hatte.
Abgesehen von den neusten Vorfällen waren alle Schlagzeilen in diesem Stil.
Das war einerseits beruhigend, brachte sie aber andererseits keinen Schritt weiter: Wie hatte es dieser Distrikt von friedfertigen kleinen Hobbits geschafft, sich plötzlich in einen so gefährlichen Ort zu verwandeln?
»Okay, noch mal von vorn«, brummte sie in sich hinein und beschloss, die Suchparameter zu erweitern.
Sie tippte rasch neue Suchbegriffe ein und wartete.
Caernarfon, Handtaschendiebstahl vor einer Bank.
Pendler überfallen.
Festnahmen wegen Diebstahl und Drogenhandel in Flint.
Nach drei Stunden hatte Winter immer noch nichts Überzeugendes gefunden. Sie kam sich dumm und starrköpfig vor, als sie schließlich das Licht löschte.
W ie rekonstruiert man ein historisches Ereignis?«, fragte Mr Vaughan in eine außergewöhnlich aufmerksame Klasse. »Wie geht man vor, wenn man eine zufällige Handvoll Details, alten Papierkram und Fundstücke in eine logische und folgerichtige Erzählung verwandeln will?«
Winter entwich ein Lächeln. Das hätte sie allzu gern gewusst …
Während draußen vor dem Klassenzimmer feine Regentropfen über die Fensterscheiben rannen, warteten die Schüler auf eine Antwort.
Darran Vaughan steuerte ihre Aufmerksamkeit wie ein erfahrener Schauspieler, seine Stimme war faszinierend, nuancenreich.
»Hat jemand eine Idee? Habt ihr euch das schon mal überlegt?«
Stille antwortete ihm.
Nur Dylis Allbright wagte sich einzuschalten.
»Na ja, man checkt die Datierungen durch, denkt nach …«
»Natürlich. Es ist jedoch nicht immer einfach, Vorkommnisse miteinander in Verbindung zu bringen … und auch nicht immer ausreichend. Ihr müsstet zumindest wissen,
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