Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)
in Verbindung bringen könnte. Ein so zusammenhangloser Anfang, dass allein schon der Gedanke daran sie entmutigte.
»Na gut. An die Arbeit, los!«, ermunterte sie sich und griff nach einer der letzten Ausgaben des ›North Wales Pioneer‹.
Rhys Llewelyn bemerkte das Mädchen sofort, als er die Bibliothek betrat, und er ließ sich keine ihrer Bewegungen entgehen. Wenigstens sich selbst gegenüber musste er zugeben, dass sie ihn auf eine ungewöhnliche Weise anzog.
Er konnte es sich nicht erklären, und eigentlich wollte er es auch gar nicht wissen. Aber wie könnte er ihre letzte Begegnung vergessen?
Ja, es war die MACHT , die seinen Panzer brüchig gemacht hatte, und Winter Starr war in den Riss eingedrungen.
Er beobachtete sie von Weitem und fühlte sich sofort unwohl. Es war wirklich unglaublich …
Seine Bewegungen kamen den Gedanken zuvor, und das gefiel ihm noch weniger.
Winter war so in die Lektüre vertieft, dass sie ein paar Sekunden brauchte, um den Schauer zu bemerken, der ihr über den Rücken rieselte. Die einzige Gemeinsamkeit zwischen Emmas Verschwinden und dem Überfall auf Lorna bestand darin, dass in beiden Fällen kein konkretes Motiv vorzuliegen schien.
Reiner Zufall. Das war nicht gerade ein großartiges Indiz, mit dem man arbeiten konnte.
Emma hatte nicht viele Freunde, aber es war trotzdem schwer vorstellbar, dass ihr jemand ein Leid antun wollte. Lorna war das genaue Gegenteil: ungezwungen, spontan, und alle kannten sie. Aber auch sie schien keine dunklen Seiten oder Geheimnisse zu haben. Sogar ihre problematische Beziehung mit einem Nox war allgemein bekannt.
Der dritte Fall, bei dem Winter selbst die Hauptperson gewesen war, erschien natürlich nicht in den Zeitungen.
Sie bemühte sich, das Ganze kühl und unbeteiligt zu betrachten: Vielleicht handelte es sich um einen Triebtäter.
Die Schauer nahmen zu.
Instinktiv griff sie sich mit der Hand an den Nacken, als wollte sie sich vor einem indiskreten Blick schützen.
Was tue ich hier?
Rhys wurde bewusst, dass er sich unvernünftig verhielt, aber er konnte nicht anders, als dem Mädchen über die Schultern zu spähen. Der ›Pioneer‹. Sie stellte also Nachforschungen über Cae Mefus an.
Gib mir nur noch einen Augenblick …,
flehte er innerlich,
dreh dich noch nicht um …
Aber Winter Starr war kein gehorsamer Typ.
Genau in dem Moment drehte sie sich um und erzitterte in dem Bruchteil einer Sekunde, den sie brauchte, um den Jungen hinter ihr zu erkennen.
»Himmel, du hast mich zu Tode erschreckt!«
»Entschuldige …«
Rhys hatte einen trockenen Hals, ein unvermitteltes Brennen, das ihn nicht so schnell wieder losließ.
»Ist nicht so schlimm«, räumte sie ein und betrachtete aufmerksam die kleine Anstecknadel an seiner Jacke: ein winzig kleiner Schild mit drei Sternen, das Symbol der Nox. »Ich bin bloß etwas nervös zurzeit …«
Das glaube ich dir gern
, wollte er antworten, hielt sich aber zurück. Es war der Hauch der MACHT , den auch sie spürte.
Rhys fühlte, wie ihr Herzschlag sich verlangsamte, und merkte, dass sein eigenes Herz im gleichen Takt pulsierte.
Angst und Anziehung loderten gleichzeitig auf. Winter Starr war ein Mysterium … Er wünschte sich inständig, sie zu verstehen.
Winter fühlte die Hitze in ihre Wangen steigen. Sie wusste, dass er ihr vom Gesicht ablesen konnte, was sie empfand.
»Ich denke, das geht gerade allen so. Vor allem, wenn plötzlich ein Fremder hinter ihnen steht.«
Rhys lächelte. Kein richtiges Lächeln, dazu war er viel zu aufgewühlt, sondern nur ein mechanisches Verziehen der Lippen.
Das fahle Licht, das durch die verstaubten Fenster einfiel, ließ Winters Haut noch heller erscheinen. Rhys konnte den Duft ihrer Haare riechen. Auf einmal verspürte er den unwiderstehlichen Drang, ihr Haar zu berühren, seine Beschaffenheit zu befühlen. Er verkrampfte sich, presste die Finger zusammen.
Winter spürte einen erneuten Schauer über den Rücken rieseln, ihr Herz begann wieder zu rasen.
»Ich kenne dich doch«, flüsterte sie, ohne zu überlegen.
Der Geliebte, dem sie im Traum begegnet war: Beim Erwachen verflüchtigten sich die Erinnerungen, aber sie blieben an der Haut haften wie der Schatten einer Liebkosung. Sie errötete erneut.
Rhys merkte, dass er sich entfernen musste.
Er wusste nicht, was sie bei ihrer letzten Begegnung wahrgenommen hatte, aber sie wirkte noch immer fassungslos, aufgewühlt. Und er …
Er war überwältigt. Das Feuer hatte seinen
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