Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)
mit zornigem Blick. »Man hat irgendwelche giftigen Substanzen in ihrem Körper gefunden, die Ärzte konnten es sich nicht erklären … Ich glaube, der Rat wollte sie vergiften. Oh Gott! Ich weiß selber nicht, warum ich dir das alles erzähle.«
Es war das erste Mal, dass sie ihren Verdacht so klar formuliert hatte. Eine Träne löste sich von ihren Wimpern, und Rhys schaute zu, wie sie ihr über die Wange lief. Er hielt den Atem an.
»Und warum hätten sie das tun sollen?«
Die silbernen Augen füllten sich mit Verzweiflung.
»Um zu verhindern, dass sie mir die Wahrheit sagt! Ich weiß nicht warum, aber es ist so …«
Sie so leiden zu sehen, war ihm unerträglich. Dies war also Winters wahres Geheimnis, die Beunruhigung, die sie wie eine Bürde mit sich herumtrug.
Rhys Llewelyn konnte sich nicht zurückhalten, er schloss sie in die Arme, und das Herz des Mädchens setzte für einen Moment aus.
»Geh weg«, bat sie ihn ohne Überzeugungskraft.
Doch ganz langsam begann das Gefühl, in Sicherheit zu sein, sie zu wärmen, und sie ergab sich.
Sie kostete es in vollen Zügen aus, spürte seinen Atem in ihrem Haar. Sie entspannte sich in seinen Armen und fühlte sich endlich zu Hause.
Die Sehnsucht nach dem, was sie für ihn empfand, explodierte unerträglich in ihr.
»Warum können wir nicht voneinander lassen?«, murmelte sie an seiner Brust.
»Vielleicht haben wir keine Wahl …«
Rhys’ Lippen streiften ganz sanft ihre Haut, wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, leicht, fast beiläufig, doch beide hielten den Atem an.
»Es war vom ersten Moment an so, Winter, als ob es unvermeidlich wäre.«
Winter drückte ihn fest an sich und nickte. Er fühlte es also auch … Für einen Augenblick schien ihr, als ob die Wärme, die sie spürte, sie für alles entschädigen könnte.
Dann seufzte der Vampir.
»Der Pakt«, rief er ihr in Erinnerung und löste die Umarmung, bevor es ihm unmöglich wurde. »Es darf nicht sein, Winter. Und wir wissen es beide. Wir sind verschieden.«
Winter schluckte die Tränen hinunter. Sie schlüpfte unter dem Regenschirm hervor und rannte davon.
Cameron Farland kehrte rasch in den Klub zurück. Was er gesehen hatte, gefiel ihm nicht. Es ließ nichts Gutes erahnen.
»Pass bloß auf, Rhys«, ermahnte er die Stille, die ihn umgab.
Er wurde sich bewusst, dass er Angst hatte.
I m Büro des Richters Moore warf Susan Bray einen nervösen Blick auf die Uhr auf seinem Schreibtisch.
Richard würde in wenigen Minuten kommen, doch ihr heimliches Treffen würde anders verlaufen, als er es erwartete.
Die Anwältin streckte die Beine aus, setzte sich so bequem hin, wie ihr strenges Kostüm es erlaubte, und zwang sich zur Ruhe.
Richard öffnete die Tür, pünktlich wie immer, und kam auf sie zu.
»Was hast du vor, Susan?«, bestürmte er sie, ohne sie auch nur zu begrüßen.
Die Frau sah mit einem herausfordernden Lächeln zu ihm auf.
»Setz dich, Richard, und bleib ruhig. Vor mir brauchst du keine Angst zu haben, das müsstest du eigentlich wissen.«
Der Richter schenkte sich etwas zu trinken ein und setzte sich dann Susan gegenüber an den Schreibtisch.
Er hielt das Glas fest umschlossen und fixierte es, als hätte er wahnsinnig Lust, es in einem Zug auszutrinken. In Zeiten starker Anspannung schaute er oft zu tief ins Glas.
»Wir müssen uns ja nicht unbedingt einmischen«, sagte er und lockerte den Krawattenknoten.
Rechtsanwältin Bray nickte.
»Was ich herauszufinden versuche, ist eben gerade, ob es noch eine Chance gibt, dass wir uns aus der Sache heraushalten können«, erklärte sie langsam, »und wenn ja, wie.«
Die Worte klar und deutlich auszusprechen half ihr immer, die Nerven zu behalten.
Ihr Blick sprang vom Cognac zum Gesicht ihres Leidensgenossen.
»Trink«, forderte sie ihn auf, »ich brauche dich ruhig.«
Er öffnete den Mund auf der Suche nach einer passenden Antwort, dann spülte er den Stolz mit dem Cognac in einem Zug hinunter.
»Sprich endlich, Bray«, befahl er eilig. »Ich weiß nicht, wie lange ich dir noch gutgesinnt bin.«
Susan schaute ihn an, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Zunächst will ich etwas vorausschicken«, begann sie nach einer kurzen Pause. »Ich bin der Meinung, dass wir bis jetzt gute Arbeit geleistet haben: Du, ich und auch die Norton. Hervorragende, wertvolle Arbeit. In fünfzehn Jahren haben wir jede Einzelheit kontrolliert, vom belanglosesten Papierkram bis zu den bedeutsamsten Einzelheiten. Wir sind gut gewesen
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