Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)
Mädchens röteten sich. Den letzten Teil des Satzes zu überhören, war nicht leicht.
»Ich kann mich ja im Haus der Chiplins einschließen«, schlug sie vor.
»Als ob das genügen würde …«
Rhys wurde sich bewusst, dass er zu viel gesagt hatte. Doch es kümmerte ihn nun nicht mehr.
»Vaughan hätte mir diese Aufgabe besser nicht anvertraut, aber ich habe keine Absicht, ihn darauf aufmerksam zu machen. Ich will dich keine fünf Minuten mehr aus den Augen verlieren, vor allem jetzt nicht! Du bist in Gefahr und ich muss immer wissen, dass du in Sicherheit bist … Ich würde mich augenblicklich zurückziehen, wenn wirklich Gefahr bestünde, dass ich dir etwas antue, aber ich kann es mir nicht einmal vorstellen. Es ist absurd, ich weiß, aber alles andere kann mir gestohlen bleiben … Ich muss mich einfach mit eigenen Augen vergewissern, dass dir nichts geschieht. Immer, jederzeit.«
Winter stellte sich vor ihn hin und versperrte ihm den Weg.
Sie ließ sich mitten auf der menschenleeren Straße in seine Arme fallen.
»Ich will nicht, dass du ein Risiko eingehst«, murmelte sie und drückte ihn mit aller Kraft.
Rhys erwiderte die Umarmung behutsam.
»Du könntest mich gar nicht mehr daran hindern, selbst wenn du es wolltest«, erwiderte er und spielte mit einer Strähne ihrer Haare.
Ohne sich aus der Umarmung zu lösen, steckte Winter eine Hand in ihre Tasche. Die Ecke des Briefumschlags, den sie bei Schulschluss eingesteckt hatte, stach ihr in den Finger.
Sie fasste sich ein Herz und zerknüllte ihn in der Hand.
I ago Rhoser bog in eine Schotterstraße ein, die aus dem Ort hinausführte, während in einigen Wohnhäusern bereits das Licht angemacht wurde.
Seine Arbeit war vollbracht. Allein und einsam hatte er die ganze Nacht gewacht, und jetzt konnte er sich endlich ein paar Stunden Erholung gönnen.
Er schlief nie viel, wenn er in einer Mission unterwegs war. Alle seine Sinne waren aufs Äußerste geschärft, durchdrungen von der subtilen Erregung, eine Spur zu verfolgen, bis er endlich Klarheit hatte.
Es war allerdings Vorsicht geboten, er musste jeden seiner Züge abwägen, einen nach dem andern planen. Die Lage war heikel.
Als er der Meinung war, weit genug von aufdringlichen Blicken entfernt zu sein, blieb er stehen, um seine Schultern zu entspannen.
In Wahrheit hatte er sich seit seiner Ankunft in Cae Mefus keine Mühe gegeben, seine Spuren zu verwischen. Wer auch nur entfernt mit den Familien oder dem Orden zu tun hatte, wusste von seiner Anwesenheit.
Es war eine Art Breitbandtest: Wenn das Mädchen Bescheid wusste, musste man davon ausgehen, dass jemand das Sonnenwappen verriet. Die Chiplins machten nicht den Eindruck, als würden sie zu Kurzschlusshandlungen neigen, aber vielleicht Bethan Davies?
Und die Reaktion der Vampire würde noch interessanter sein, ein Geheimnis, das es endlich zu lüften galt.
Sie durften auf keinen Fall etwas erfahren.
Die Erneuerung des Paktes stand kurz bevor, und das rechtfertigte ein direktes Eingreifen. Die Familien und auch der Großmeister des Ordens unterstützten ihn, doch unter den Vampiren gab es jemanden, der sich durch ihn eingeengt fühlte.
Als es bereits dämmerte, setzte sich der Exekutor wieder in Bewegung, dachte an die Begegnung mit der jungen Starr mit den silbergrauen Augen, die sie von ihrem Vater geerbt hatte.
Soldier hatte ein interessantes Erbe hinterlassen.
Im kalten Wind der frühen Morgenstunde schlug der Mann den Jackenkragen hoch und grinste in sich hinein.
In ihrem Haus am Waldrand saß Bethan Davies mit einer Tasse Tee in der Hand auf der Veranda. Der Umhang aus dicker Wolle schützte sie nicht wirklich vor der Kälte der ersten Stunden nach Tagesanbruch, doch die frische Luft half ihr, die Gedanken zu ordnen.
Die Vergangenheit kehrte zurück, gerade als endlich auch Bethan dachte, sie könnte sie hinter sich lassen.
Winter Starr hatte sie mitgebracht, ohne sich dessen bewusst zu sein, und die Spürhunde hatten ihre Fährte aufgenommen.
In welche Misere bist du geraten, Mädchen
…
Wenige nur wussten Bescheid … Sie selbst hatte Monate gebraucht, um zu verstehen. Doch was half das Wissen, wenn man nicht handeln konnte?
Sie fühlte sich plötzlich alt und nutzlos, sie war nichts als ein Hort trauriger Erinnerungen, die sie mit ins Grab nehmen würde.
»Warum soll ich Zeugnis ablegen?«, hatte sie vor ihrem zehnten Geburtstag gefragt.
Ihr Großvater hatte einen strengen Blick auf sie gerichtet.
»Um dein
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