Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)
entschied, dass der Moment gekommen war.
»Was liest du?«, fragte er weit ausholend.
Winter richtete einen ruhigen Blick auf ihn.
»Viel Lärm um nichts«
, antwortete sie. »Fantastisch, finden Sie nicht?«
Vaughan zog die Augenbrauen hoch.
»Mr Shakespeare wäre geehrt über dein Urteil. Schön, dass du dich endlich auch noch an die Hausaufgaben erinnert hast …«
Sie lächelte leise.
Wer zum Teufel lächelt so, wenn ihm der Exekutor auf den Fersen ist?
, dachte der Lehrer.
»Die sind vielleicht nützlicher als meine unergiebigen Recherchen.«
In dem Moment klopfte Rhys Llewelyn an die Tür und Winter versenkte sich wieder in ihre Lektüre.
Der Lehrer hatte jedoch keine Absicht, das Serum vor ihren Augen zu trinken.
»Heute ist ein schöner Tag, Winter. Hast du keine Lust, mal etwas an die frische Luft zu gehen?«
Endlich sah er sie aufspringen.
»Ich begleite sie, Mr Vaughan«, sagte Rhys.
Vaughan verabschiedete die beiden mit einer hastigen Geste.
Erst später erinnerte er sich an den Gesichtsausdruck des Mädchens.
Winter schloss die Augen und genoss den Augenblick.
Rhys saß neben ihr auf der Bank und die Sonne schien. Sie schämte sich beinahe dafür, so glücklich zu sein.
Einzig die Tatsache, dass sie sich noch auf dem Schulgelände befanden, war ein Wermutstropfen, aber im Grunde hatte es keine große Bedeutung.
»Sie werden es herausfinden«, bemerkte Rhys nach einiger Zeit.
»Du bist mein Bodyguard, vergiss das nicht!«, neckte sie ihn.
»Klar. Erklär das mal Gareth Chiplin.«
»Ach, hör auf.«
Der Gedanke an Gareth war ihr unangenehm, wenn sie mit Rhys zusammen war.
»Gestern habe ich Bethan Davies gesehen«, sagte sie, froh darüber, das Thema wechseln zu können.
Rhys gab ihr keine große Genugtuung.
»Ich bin dir gefolgt«, erwiderte er schmunzelnd.
Wäre er nicht so unglaublich attraktiv gewesen, hätte sie sich über ihn geärgert.
»Ich glaube aber nicht, dass du gesehen hast, was sie mir zugesteckt hat …«
Der Junge wurde aufmerksam.
Winter zog den Zettel heraus und reichte ihn Rhys mit einer theatralischen Geste.
Während er las, betrachtete sie die leichte Bewegung seiner Lippen.
Ich kenne die Antworten. Komm so bald wie möglich,
Bethan Davies
Rhys nahm ihre Hand und Winter errötete.
»Glaubst du, sie weiß etwas über deinen Anhänger?«
»Oder über mich …«, antwortete Winter, ermutigt durch seine Nähe.
Sie betrachteten eine Weile den Himmel. Rhys liebkoste ihre Finger.
»Macht es dir Angst?«
»Ein bisschen schon, glaube ich. Ich weiß nicht, was mich erwartet.«
Winter bemühte sich um ein Lächeln. Neben Rhys erschien ihr alles leichter …
»Es könnte ja etwas Schlimmes sein …«
Rhys schüttelte den Kopf.
»Du weißt, wie ich darüber denke. Du gehörst zu den Familien und ich bin ein Vampir. Schlimmer kann es kaum werden, oder?«
Sie lachte.
»Ja, stimmt schon.«
Sie lehnte spontan ihren Kopf an seine Schulter, doch dann rückte sie abrupt von ihm ab.
»Entschuldige.«
Er wich ihrem Blick aus, doch Winter kannte ihn inzwischen gut genug, um zu wissen, dass er verlegen war.
»Sag nichts«, murmelte er und vergrub das Gesicht in den Händen.
Doch dann erbebten seine Schultern unvermittelt in einem leisen Lachen.
»Müssen wir unbedingt hierbleiben?«
Zu sehen, wie sie errötete, gab ihm eine gewisse Befriedigung.
»Mein Rucksack ist noch in Vaughans Büro.«
»Ich warte hier auf dich …«
Winter wandte widerstrebend den Blick von ihm ab und kehrte rasch ins Büro des Lehrers zurück.
Vaughan erriet ihre Absicht, ließ den Vorhang zufallen, durch den er sie beobachtet hatte, und entfernte sich vom Fenster.
Dass er Winters Blick nicht sofort richtig interpretiert hatte, machte ihn nervös. Er hatte diesen Blick schon auf unzähligen Gesichtern gesehen.
Es war der Gesichtsausdruck eines verliebten Mädchens.
»Na bravo, ihr beiden! Tolle Überraschung!«, kommentierte er sarkastisch.
Dann entspannte er seine Gesichtszüge in Erwartung ihres Anklopfens.
»Entschuldigen Sie, ich bin etwas zerstreut zurzeit …«
Vaughan machte keine Anstalten, sie vorbeizulassen, und Winter berührte ihn fast, als sie ins Büro trat.
»Das kann vorkommen, unter gewissen Umständen«, antwortete er scharf.
Er musterte sie weiter und rührte sich nicht von der Stelle, während sie den Raum durchquerte und ihren Rucksack nahm.
Winter begann sich unbehaglich zu fühlen.
»Ist Llewelyn nicht bei dir?«
Sie schüttelte nur den
Weitere Kostenlose Bücher