Winter in Maine
dass ich bloß träume und auf keinen Fall imstande wäre, sie wieder willkommen zu heißen. Sie hat sich ihr Leben mit allem Drum und Dran aus gesucht. Vielleicht gibt es für viele Dinge gar keinen Grund, und sie passieren nur, weil die Menschen sie tun.
Als sie mir die Neuigkeit erzählt hatte, fiel es mir schwer, wieder allein zu leben, und bald darauf kam der Winter und machte es noch schwerer.
18
Als ich nach den Vorfällen, die sich früher am Tag im Wald zugetragen hatten - ich meine die Begegnung mit den bei den Männern und alles, was dazu führte, dass sie jetzt aufeinander lagen -, in die Hütte zurückkehrte, aß ich Abendbrot und las dann Shakespeare, seine Wortschöpfungen.
Als ich noch jung war, überprüfte mein Vater oft die Liste elisabethanischer Wörter, um sich zu vergewissern, dass ich mindestens drei neue pro Tag lernte. Beim Durchgehen der Spalte sah ich, dass ich mit neunzehn an einem bestimmten Dienstag - das entnahm ich dem Eintrag - fünf Wörter gelernt hatte, also hatte es wohl draußen geregnet, oder ich hatte am Vortag vergessen, welche zu lernen. Ich sah mir die Liste an:
Cinquepas war ein Tanz, Gleisnerei bedeutete Heuchelei, Wild ling war ein unfreundlicher Mensch, Wirrnis bedeutete Aufruhr und prellen betrügen. Ich schlürfte den Tee, lehnte mich auf dem roten Kissen zurück und dachte mir im Wohlgefühl des Augenblicks irgendwelche Sätze aus: »Der Wildling führte einen Cinquepas auf, als ich ihn erschoss. Der Zweite wollte mich umbringen, aber ich prellte ihn um diese Gelegenheit, indem ich ihm zuvorkam.«
Ich sprach noch mehr Sätze vor mich hin, denn der Tag kam mir lang vor, und das Aufsagen versetzte mich in eine Zeit zurück, in der das Leben einfacher gewesen war, ohne Unfreundlichkeit oder Auseinandersetzungen. Wenn mein Vater neben mir gestanden oder selbst am Ofen gesessen und seine Tabakspfeife gepafft hätte, hätte ich ihm die Sätze vorge sprochen. Aber bei den Ereignissen des Lebens muss man die eigene Anerkennung gewinnen. Es gibt niemanden, dem man etwas vorführen kann, niemanden, der sagt: Gut gemacht.
Fast den ganzen folgenden Tag, einem sonnigen, kalten Don nerstag - ein von Jägern bevorzugtes Wetter -, blieb ich zu Hause und lauschte den von fern herüberhallenden Schüssen, die schon ertönten, als ich gerade erst aufgestanden war, das Feuer anzündete und die erste Kanne Tee machte, und sich in den Nachmittag hinein fortsetzten, als ich mir Bücher zum Lesen holte und die Schüsse inzwischen dünner und schwächer klangen, weil die Jäger weit entfernt waren. Ich blickte hinaus und sah Hobbes' Grab, die letzten Farbtupfer an den verwelkten Stängeln. Es gibt nur wenig Schönes in der Welt, dachte ich, und normalerweise trägt die Welt der Menschen kaum etwas dazu bei. Doch Hobbes hatte mir alles Schöne gebracht.
Die rosa Blütenblätter hingen nackt herab und zitterten in Kälte und Wind. Wie sie sich trotz der kalten Jahreszeit fest klammerten, welchen Kampf und welche Kraft das erforderte! Nicht mehr lange, und sie würden braune Flecke an einem Stängel sein.
Bevor ich ins Bett ging, schrieb ich noch eine Weile. Das Feuer war fast heruntergebrannt, und ich musste die Augen zusammenkneifen, obendrein konnte ich mich wirklich nicht besonders gut ausdrücken, doch es war nötig, ein paar Worte zu Papier zu bringen.
19
Es begab sich, dass ich am dritten Tag nach Hobbes' Tod mit einem neuen Plakat neben mir auf dem Sitz nach Fort Kent unterwegs war, ich verließ die Hütte am Spätnachmittag doch noch und fuhr vorsichtig auf der unbefestigten Straße, um kurvte gemächlich dieselben Schlaglöcher, über die ich auf meiner verzweifelten Fahrt mit Hobbes hinweggerumpelt war. Diesmal hatte ich es nicht eilig, und ich gab erst wieder Gas, als auf beiden Seiten keine Bäume mehr standen und der bewölkte Himmel über der Asphaltstraße zur Stadt sich öffnete, aber als ich am Stadtrand um die Kurve bog, kam ich an einen Kontrollpunkt, drosselte das Tempo und hielt. Ein Polizist fragte nach meinem Namen und ob ich unterwegs irgendwo Männer gesehen hätte, denn es würden welche vermisst. Er schien zu wissen, wo ich herkam, denn er erwähnte beiläufig die Gegend, in der ich wohnte, und warf einen prüfenden Blick in den Pick-up, während ich sagte, ich hätte keine Männer gesehen. Er bedankte sich und winkte mich weiter, und als ich richtig in der Stadt war, parkte ich an der üblichen Stelle hinter dem Supermarkt. Ich ging mit dem neuen Plakat
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