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Winter in Maine

Winter in Maine

Titel: Winter in Maine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard Donovan
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zur Vorderseite des Ladens, nagelte es mit einem Hammer an die hölzerne Anschlagtafel und trat einen Schritt zurück, um die Worte zu lesen: »HUND ERSCHOSSEN. 30. Oktober. Belohnung für jeden Hinweis. J. Winsome, Postfach 271.«
    Es war besser so, denn irgendwer hatte das erste Plakat ge sehen, auch wenn es nur die Person war, die darauf herumge kritzelt hatte. Sonst musste ich vielleicht eines Tages erklären, warum das erste Plakat ungefähr zu der Zeit, als sich gewisse Vorfälle ereigneten, am selben Tag aufgehängt und wieder abgenommen worden war und ob das Abnehmen des Plakats bedeutete, dass ich etwas wusste, was sonst keiner wusste, oder so was Ähnliches, wie Anwälte sich halt ausdrücken, wenn es Ärger gibt. Das Traurige war, dass ich keine Hinweise mehr brauchte, und wenn irgendwer welche hatte, konnte er sie mei netwegen bis ans Ende seiner Tage für sich behalten. Das zweite Plakat konnte verrotten. Mal sehen, wer auftauchen würde.
    Als ich Streichhölzer, Milch, Tee, Brot und Butter gekauft und alles im Pick-up verstaut hatte, überquerte ich die Stra ße und ging das kurze Stück bis zum Cafe. Mir fiel auf, dass der Wind auffrischte und die vereinzelten Regentropfen sich härter anfühlten, als wären sie mit Schnee beschwert. Deshalb freute ich mich über den Schwall warmer Luft, der mir beim Öffnen der Cafetür entgegenströmte, über das helle Licht und die paar Leute, die über Suppe und heiße Getränke gekauert dasaßen. Es bediente eine andere Kellnerin, doch sie brachte mir dieselbe Kaffeesorte an denselben Tisch und sagte auch dasselbe: Lassen Sie ihn sich schmecken.
    An einem anderen Tisch beugten sich zwei Männer in Holz fällerkleidung über ihre Drinks und unterhielten sich über einen der Vermissten.
    Er ist vor zwei Tagen zur Jagd gegangen, und es gibt von ihm keine Spur.
    Wo ist er denn hingefahren?
    Wissen wir nicht genau, seine Frau soll gesagt haben, im Tal nach Westen, etwa bis Allagash, in den Gebirgswald, aber vielleicht ist Jack aus einer Laune raus auch nach Norden ab gebogen oder hat die Grenze überquert.
    Vielleicht ist er auch am Moosehead Lake, sagte der andere.
    Der Erste erwiderte: Der Sheriff befürchtet das Schlimmste, denn es heißt, dass noch zwei Männer aus Frenchville ver misst werden, aber die wollten eine Woche lang weg und sind erst ein oder zwei Tage überfällig. Trotzdem, das ist doch kein Zufall.
    Ich hörte den bei den mit gesenktem Blick zu, trank meinen Kaffee aus und legte ein paar Münzen auf den Tisch, tippte zum Abschied an meine Kappe und ging. Drei Männer wur den also vermisst, und einer von ihnen hieß Jack. Klang nach einem anständigen Kerl. Für ein paar Männer, die mit Gewehren im Wald umherstreiften, hatte sich das Ganze sehr schnell herumgesprochen. Sie waren wohl einheimischer gewesen, als ich dachte, Männer aus der Gegend, mit Familien, die sie zu einem bestimmten Zeitpunkt zu Hause erwarteten. Es tat mir leid, von einer Ehefrau zu hören. Aber das war zu erwarten gewesen. Sobald die Zahl der Toten steigt, lässt sich so was nicht vermeiden.
    Am anderen Ende der Stadt waren Lichterketten über die Straße gespannt, ein von der Stadtbücherei organisiertes Fest, wo sich Kinder als Vogelscheuchen verkleideten, und das Transparent kündigte einen Tanz und einen Ramschverkauf an, die am Sonntag stattfinden sollten. Im kleinen Stadtpark erleuchtete eine große, ausladende Kiefer den anbrechenden Abend. Gut, dass hier, wo die Dunkelheit so früh hereinbrach, Helligkeit in die Straßen gebracht wurde: Fensterkerzen, Bäu me voller Silbersterne und Ähnlichem, die Kinderaugen erfüllt von neuen Stunden des Lichts, die ihnen dieses Fest sogar für die dunklen Wintertage versprach.
    Auf dem Rückweg zum Supermarkt sah ich Claire im selben Augenblick auf der anderen Straßenseite, als sie mich entdeck te. Sie hob die Hand, um zu winken, und ich blieb stehen, dann blickte sie in beide Richtungen und überquerte die Straße, und ich wartete im böigen Wind vor dem Schaufenster eines Elektrogeschäfts, während ich innerlich bebte. Ich schlang den langen Mantel fest um mich, damit er nicht mehr im Wind flatterte.
    Sieht nach einem Unwetter aus, sagte sie und trat auf den Gehsteig.
    Ja, sagte ich. Stimmt.
    In den Regalen im Schaufenster standen ungefähr zwanzig Fernseher, und auf jedem war ein anderer Sender eingestellt, aufblitzende Bilder von Körpern, die ich aus dem Augenwinkel sah, Leute, die tanzten, sangen, redeten, die Fernseher schon

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