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Winter in Maine

Winter in Maine

Titel: Winter in Maine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard Donovan
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gekommen sein sollte, um das Leben des Hundes zu beenden, den sie zusammen mit mir gerettet hatte. Es lag mir fern, ihr oder irgendeiner Frau etwas anzutun - so etwas hätte mein Vater niemals geduldet -, doch die Gedanken wollten mir nicht aus dem Kopf gehen. Hatte sie Hobbes umgebracht?
    Trotz der grimmigen Kälte blieb ich draußen, schlang den Mantel fester um mich und stellte mich in den Schutz eines Baumstamms.
    23
    Auf der Suche nach Beweisen musste ich jede bereits bekannte Einzelheit überprüfen und alles, was ich gesehen hatte, noch einmal durchgehen. Und allmählich begriff ich, was mir keine Ruhe ließ: Es gab Anzeichen dafür, dass sie mich mit Hilfe an derer Leute getäuscht hatte, um den Hund in mein Leben zu bringen und ihn mir dann zu nehmen. Ich beschloss allerdings, gründlich nachzudenken, bevor ich irgendwas unternahm.
    Das erste Indiz ihrer Schuld war die Art, wie sie an jenem Frühsommertag an der Hütte aufgetaucht war. Sie ging an den Blumen vorbei, die das Gras unter dem weiten, flachen eisblauen Himmel von Maine blau und gelb sprenkelten. Ich saß in der Küche und las, und auf der Suche nach den letz ten Düften und Schatten des Frühlings wehte der Wind von Süden durchs offene Fenster in alle Räume, und der noch frische Sommer streifte meine Haut mit einem warmen Flüstern, seinem ersten Wort. Als ich Claire hörte, erhob ich mich von meinem Stuhl: Mein Gesicht war in ein Buch vergraben gewesen, doch jetzt füllte es das Fenster aus, und ich blickte hinaus.
    Ein paar Hühner liefen im Sonnenschein hintereinander her, rannten im Duft brennenden Kiefernholzes am Pick-up vorbei. Als ich auf die Veranda trat, glitt Rauch vom Schorn stein herab.
    Claire sagte: Ich war in der Gegend. Ich weiß nicht, anschei nend habe ich mich verlaufen.
    Damals fand ich das überhaupt nicht ungewöhnlich, es kam mir genau so vor, als hätte sie drüben in der Stadt bloß mitten auf der Straße auf ihre Armbanduhr geschaut und mir gesagt, wie spät es war.
    Wenn das so ist, sagte ich, warum kommen Sie dann nicht rein und trinken eine Tasse Tee?
    Für sie musste es ausgesehen haben, als bestünden die Wän de aus Büchern, aus dem Leder, das sich vor ihren Augen erstreckte. Ich ging hinter ihr zum Spülbecken und beobachtete, wie sich das Haus um sie fügte, während sie im Türrahmen stand, der das große erste Zimmer vom zweiten trennte. Sie warf einen Blick auf den Eichenfußboden und den Holzofen und betrachtete den Brunnen vor dem kleinen Seitenfenster:
    Ein Vogel hüpfte durchs Wasser. Sie flüsterte, auf den Gemäl den seien kaum Menschen zu sehen. Eins der Bilder, die mein Vater und mein Großvater über den Bücherregalen aufgehängt hatten, stellte eine braune Landschaft mit kahlen Bäumen dar, die anderen zeigten Meeresküsten, Gärten, Heuhaufen.
    Ich legte eine Schallplatte mit Klaviermusik auf. Ich hätte meine Frage zu diesem unerwarteten Besuch sofort stellen sol len. Es ging ein kurzer Regenschauer nieder, draußen tropften die Blumen, und aus dem Schlafzimmer tropften die Töne, ein Stück von Satie aus der Zeit meines Vaters. Ich goss kochendes Wasser auf die Teebeutel und reichte Claire einen Becher mit einem Löffel darin.
    Sie haben sich kaum verändert, sagte sie.
    Ich erwiderte: Ich glaube nicht, dass wir uns kennen.
    Nein, aber meine Schwester kennt Sie. Sie war in der Schule ein paar Klassen unter Ihnen. Sie hat Sie mir beschrieben.
    Das waren ihre Worte, auch wenn sie nicht viel Sinn erga ben. Als der Schauer vorbei war, schien die Sonne durchs nasse Fenster und wärmte die roten Dächer auf einem der Gemälde.
    Ich überlegte, warum sie sich hier und nicht woanders verlau fen hatte, wollte sie aber nicht fragen, da man sich gewöhnlich aussucht, in welcher Gegend man sich verläuft, und sie bestimmt ihre Gründe gehabt hatte. Außerdem hatte ich Zeit, ich musste an dem Tag bloß noch in die Stadt fahren, um Möhren, Fisch und Brot zu besorgen.
    War es unhöflich von mir, einfach so aufzutauchen?, fragte sie.
    Ich fragte, wie man sonst noch auftauchen könne.
    Sie sagte, ihr Auto stehe im Wald, einen Kilometer entfernt, wo die Straße noch breit genug sei: Sie habe einen langen Spa ziergang machen wollen und sei immer weitergegangen. Jetzt müsse sie aber nach Hause. Anscheinend war das ihre erste Aufgabe: die Hütte zu finden, zu sehen, wie viele Leute dort wohnten, nicht allzu viel Zählerei, wie sich herausstellte.
    Ich sagte, ich würde sie zurückbegleiten, denn nach Ein bruch

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