Winter in Maine
merfenster hineinzwängt. Dann blieb ich größtenteils im Bett, weil die Decken wärmer waren als die Luft.
Aber erst hatte ich noch etwas zu erledigen. Ich lief zum Holz stoß, holte einige Scheite ins Haus, bevor sie feucht wurden, und deckte den Rest mit einer grünen, einmal gefalteten Plane ab. Nachdem ich gebratenen Fisch mit Kartoffeln gegessen hatte, ging ich noch mal mit der Taschenlampe zu den Blumenbeeten hinaus und verabschiedete mich von den letzten Rosa- und Rottönen, denn am nächsten Morgen würden sie mit Weiß überzogen und bald da rauf zugedeckt sein. Hoffentlic h würde der Schnee des langen Winters, der gerade begonnen hatte, meinen Freund warm halten. Ich bückte mich und schob die Finger in den Schnee auf seinem Grab.
Dann stellte ich mich auf die langsam weiß werdende Lich tung und blickte in die Nachtscherben zwischen den Flocken hinauf.
Winter.
ZWEITER TEIL
Nacht des 2. November
21
In jener Nacht war mir, als würde der Wind einfach durchs Haus und die Decken pfeifen, als könnte nichts die Kälte von meinem Körper fernhalten. Ich lag im Bett und warte te darauf, dass mich ein bisschen Wärme durchströmte und ich schlafen konnte. Ich hörte Geräusche, das war bestimmt das Knistern der Kälte im Holz der Hütte. Oder war das etwa Hobbes, der an der Tür kratzte? War er zum Leben erwacht und hatte sich aus dem Blumenbeet gebuddelt? Ich hatte in Geschichtsbüchern von Menschen gelesen, die im Sarg aufgewacht waren und unter deren Fingernägeln man Holzsplitter gefunden hatte. Vielleicht schlichen aber auch Männer im Dunkeln herum. Doch das war egal: Bevor ich mich hingelegt hatte, hatte ich die Enfield ins Schlafzimmer geholt und an die Wand gelehnt.
Ich setzte mich auf, schlug die Decke zurück und ging im Mantel, das Gewehr locker in einer Hand, auf die Tür zu, und als ich sie öffnete, flogen Messer auf mein Gesicht, meine Hände, meine Füße zu, die blitzschnellen, eisigen Klingen des Windes. Vergeblich beschirmte ich meine Augen: kein Hund zu sehen, kein Kopf und keine Pfoten, die Einlass begehrten. Sicherheitshalber wartete ich noch und stand eine Weile da, bevor ich wieder ins Haus ging und mir die Wollsocken und einen Pullover anzog. Der Wind hatte mich wohl infiziert, so heftig zitterte ich. Am Bett zog ich mich vollständig an. Ein schlafen und wehrlos und still daliegen, während der Wald in Bewegung war, das durfte nicht sein. Besser bedeckt, ging ich noch mal los, diesmal ganz nach draußen, zum Grab.
Als ich mich hinabbeugte, deutete nichts darauf hin, dass Hobbes sich befreit hatte. Ich fand nicht die geringste Spur, auch nicht die schwachen Abdrücke eines laufenden Hundes. Dann rührte das Heulen und Kratzen an der Tür also doch nur von der Kälte her. In den Mantel gehüllt, stand ich am Waldrand und blickte zur Hütte zurück: Das schwache Licht im kalten Schlafzimmer, das ich gerade verlassen hatte, schim merte durch die Ritzen des Seitenfensters, ansonsten war alles schwarz, nur durch ein paar Zentimeter Holz und eine Reihe Bücher vor den Elementen geschützt.
Ich wartete auf nichts. Und es kam auch nichts. Eine kal te Eisschicht stahl sich in mein Herz. Ich spürte, wie sie sich ausbreitete, die Herzklappen erstarren ließ und den Wind abschwächte, der in meinem Körper wehte, hörte, wie sie sich auf meine Knochen legte und Stille in die spröden Zwischenräume blies, in alles, was zerbrochen war. In diesem Augenblick empfand mein Herz den Frieden der Kälte. Ich ließ meinen Freund los, und die Nachtwache war vorbei, nur sein Geist würde wiederkehren.
22
Wenn die Geräusche nicht aus dem Grab kamen, lag das Un behagen woanders, aber ich konnte nicht so lange hier draußen bleiben und Wache stehen. Der Argwohn, der mich vor die Tür gelockt hatte, war vielleicht das Einzige, was in dieser Nacht als Grab bezeichnet werden konnte: das, was in meinem Hinterkopf geblieben war, eine rastlose Sorge.
Ich wollte Claire nicht verdächtigen, und das tat ich auch nicht, bis mir unser Gespräch auf der Straße einfiel, wo sie anscheinend gespürt hatte, dass es mit mir nicht zum Besten stand. Wie konnte sie das wissen? Hatte sie etwas mit der Sache zu tun? Vielleicht gehörte sie inzwischen mit Haut und Haar diesem anderen Mann und hatte beschlossen, alles aus jenem Sommer zu tilgen, was mit mir verknüpft war, und das Einzige, was noch blieb, war Hobbes gewesen.
Was für ein Gedanke, dass Claire mit einem Gewehr auf Waldwegen in die Nähe meiner Hütte
Weitere Kostenlose Bücher