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Winter in Maine

Winter in Maine

Titel: Winter in Maine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard Donovan
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war durchaus möglich, be sonders in einer Straße, mit Hausmauern auf beiden Seiten, einem Korridor, der half, die Kugel zu leiten.
    Plötzlich wurde alles unscharf, eine schwarze, oben blasse Wolke schob sich vor das Visier, dann klopfte es am Fenster, und als ich so tat, als hätte ich nichts gehört, klopfte es noch einmal. Nach ein paar Sekunden begriff ich, dass meine Reg losigkeit mir weder Sicherheit gab noch mich unsichtbar machte, da die Person offenbar wusste, dass ich am Fenster saß, weil sie vermutlich direkt davor stand. Ich nahm das Visier herunter und blinzelte: Draußen auf dem Gehsteig stand Claire, in Handschuhe und einen Schal gehüllt, abgesehen von der nackten linken Hand, die die Scheibe berührte, während die rechte den Handschuh hielt, so dass es aussah, als würde sie sich mit der Fingerspitze gegen das Fenster stützen. Wäre sie ein feindlicher Soldat gewesen, und wir hätten uns in offenem Gelände befunden, hätte ich die nächsten paar Sekunden wohl nicht überlebt. Sie hatte so dicht vor mir gestanden, dass ich sie nicht gesehen hatte, und ich nahm mir vor, diese Lektion nicht zu vergessen.
    In dem Schal war ihr Gesicht zu einer Birne geformt, doch man konnte es noch erkennen. Ich sah, wie sie meinen Namen ausspr ach, hörte die letzte Silbe gedämpft wie aus der Fer ne, wie ein Ruf durch ein großes Waldstück. Ich saß mit dem Visier in der Hand da und regte mich nicht. Sie hatte mich ertappt, und jetzt ging sie am Fenster entlang, betrat das Cafe und kam im Spiegelbild desselben Fensters an meinen Tisch, ohne die Kellnerin zu beachten, die ihr mit einer Kaffeekanne folgte.
    Julius, sagte sie.
    Ich drehte mich um, bis sie direkt vor mir stand. Ja? Was ist das? Sie deutete auf meinen Schoß.
    Ein optisches Gerät, das ich überprüfen lassen will. Unten im Waffenladen.
    Troy, sagte sie, den kennst du doch?
    Ich hab ihn mit dir gesehen, antwortete ich. Ich war da, falls du das noch weißt.
    Sie setzte sich mir gegenüber, wickelte den Schal vom Kopf, und ich sah das volle Gesicht, das morgens beim Aufwachen so oft neben mir gelegen hatte, eine sehr glückliche Zeit.
    Was machst du, Julius? Es ist bloß, dass Troy sagt, ich meine, sie reden davon, wo der Mörder vermutlich zuschlägt, wo er vermutlich wohnt.
    Mörder, sagte ich.
    Sie haben eine Leiche gefunden, erwiderte sie.
    35
    Die grundlegenden Schießfertigkeiten hatte mir mein Vater beigebracht. Die Kriegsgeschichten stammten hauptsächlich von meinem Großvater und bargen andere Ratschläge in sich, Lektionen übers Schießen, die er unter Druck und unter Be schuss gelernt hatte. Wie mein Vater erzählt hat, ging es meinem Großvater zwanzig Jahre lang gut, nachdem er aus dem Ersten Weltkrieg heimgekehrt war. Doch eines Nachmittags sei er ohne ersichtlichen Grund zusammengebrochen und habe gesagt, im Traum sehe er seit ein paar Wochen die Gesichter seiner Opfer, aber nicht nur das, sondern auch die Kinder, die sie nie gezeugt hatten, drängten sich am Rand seiner Träume, ihre Arme und Beine schmuggelten sich ins Bild. Als es mit meinem Großvater nicht besser wurde, riet man ihm, zum Arzt zu gehen. Vielleicht leide er an einer Kriegsneurose, hieß es.
    Nein, sagte mein Großvater. Das ist keine Kriegsneurose.
    Ich lag nicht ständig unter Artilleriefeuer.
    Mein Vater erklärte ihm, dass er die Gesichter der Leute, die er als Scharfschütze erschoss, vielleicht gar nicht gesehen habe, da sie oft mehr als hundert Meter weit weg gewesen und ihre Gesichter auf diese Entfernung nicht zu erkennen seien, nicht die Augen oder den Ausdruck eines Menschen hätten. Aber mein Großvater habe sich nicht beruhigen lassen, sagte mein Vater, er sei danach immer stiller geworden, gehetzt, ausge höhlt, die Augen noch schwärzer, als blickte er durch Visiere weit in die Ferne.
    Ich kann kaum glauben, was für ein Pech es war, dass dein Großvater davon eingeholt wurde, sagte er zu mir.
    Eingeholt?, fragte ich.
    Ja, sie haben ihn eingeholt. Das kommt von der Schlacht. Mein Vater war mit seinen Worten so sparsam, dass man Wasser hinzufügen musste, damit sie zu verständlichen Sätzen aufquollen.
    Ich fragte: Von der Schlacht?
    Er überlegte noch mal und legte sein Buch hin, um zu sagen, was er zu sagen hatte.
    Genau, wenn ein Gewehr die Schlacht verlässt, ist es be laden mit toten Männern. Dein Großvater muss ihre Gesichter so oft durchs Visier gesehen haben, die Überraschung auf dem Gesicht des Mannes, den er erschoss, weil er erschossen

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