Winter in Maine
Polizisten stiegen aus, kamen herein und gingen an die Theke, an der Hosennaht ein Streifen, der direkt aus ihren Revolvern zu kommen schien, und sie falteten keine Zeitung, sondern eine Landkarte auseinander, dem Anschein nach eine Karte des Bezirks, mit ein paar eingezeichneten Kringeln. Ohne dass sie bestellen mussten, brachte ihnen die Kellnerin Kaffee, und sie sahen sich im Fernsehen den Bericht über die vermissten Jäger an.
Ich ging auf die Toilette und sah im Vorbeigehen auf der Karte einen Kringel um den McLean Mountain und die abge legene Siedlung südlich von St. Frands, am Fluss, ein paar hundert Meter von der Grenze entfernt. Auf den ersten Blick ein Gebiet von hundertfünfzig Quadratkilometern und drei Pfeile, die aus verschiedenen Richtungen darauf zuliefen. Sie legten ein Netz von trigonometrischen Punkten über das Gelände.
Na gut, das war zu erwarten gewesen. Aber als ich mir mit Seife und kaltem Wasser die Hände wusch, wurde mir klar, dass ich vorsichtiger sein musste, wenn ich noch mal auf einen Polizisten traf, verdammt vorsichtig, denn sonst könnten diese Pfeile besser zielen und schließlich aus allen Richtungen auf die Hütte und zum Fenster hineindeuten. Doch meine jetzige Fahrt konnte helfen, sie in die falsche Richtung zu lenken. Ich zahlte, wünschte den beiden Beamten einen guten Morgen, und sie erwiderten meinen Gruß mit einem Lächeln.
Dann stieg ich in den Pick-up und fuhr mit einem frischen Becher Kaffee davon. Heißer Tee war gut für ein behutsames, stetiges, verlässliches Leben, für den weiten Bogen des Nach mittags und all das, und ich hatte auch welchen für später dabei, doch für die nächsten zehn Minuten brauchte ich Kaffee, der mein Blut in Wallung brachte und meine Wachsamkeit erhöhte. Ein Auto mit Skiern auf dem Dach kam mir entgegen. Leute in gelben Jacken und Mützen, sogar im Wagen. Sie konnten es kaum erwarten, auf die Pisten zu kommen, und es war kalt, wurde immer kälter. Ich überlegte, warum ich mich für St. Agatha und nicht für den Wald rings um mein Haus entschied, wo Hobbes erschossen worden war und die Gründe für mein Handeln verständlicher wären: Ich wusste, es hatte nichts damit zu tun, dass Claire von dort stammte, sie schien inzwischen ohnehin in Fort Kent zu wohnen. Ich fuhr nicht auf der Suche nach Claire mit einem Gewehr nach St. Agatha.
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Nachmittags um halb zwei erreichte ich St. Agatha und bog links ab zum Ostufer des südlich der Stadt gelegenen Sees, der verwilderten Seite, parkte den Wagen neben der Straße und ging mit geschultertem Gewehr, das Buch unterm Mantel und die Thermoskanne in der rechten Tasche, zum nächstgelege nen Baum mit einem Hochsitz, der an einem Acker stand und ein ausgezeichnetes Schussfeld bot. Es gab hier nicht viel Wald, mehr Kartoffeläcker als Bäume, aber bestimmt waren Jäger unterwegs, die es auf Vögel oder Hirsche abgesehen hatten, und vielleicht auch der Kerl, der auf das Plakat seinen Kommentar geschrieben hatte.
Es würde nicht mehr lange dauern, an einem Tag wie die sem, wo überall am Himmel das Blau durch die Wolken brach und es im Wald von Hirschfährten wimmelte. Ich lehnte das Gewehr ans Geländer, schlug das Buch mit den Sonetten auf und goss mir einen Schluck Earl Grey auf die Zunge - dieses unvergleichliche Gefühl, wenn einem bei kaltem Wetter die ersten Sonnenstrahlen ins Gesicht scheinen. Aber ich hatte eher Zeichnungen, Statistiken, Wegekarten und Ähnliches im Kopf.
Ich hatte mal in einem Buch gelesen, dass Scharfschützen in den nördlichen Breiten weiße Tarnkleidung tragen. Das war mir eingefallen, als ich am Morgen die Hütte verließ, und ich hatte den Lauf der Lee Enfield in eine weiße Decke gehüllt, damit er warm blieb und das Gewehr vor der schneebedeckten Rinde des Baums nicht zu sehen war. Und aus demselben Grund warf ich mir oben auf dem Baum einen Zipfel dersel ben Decke über, in die ich Augenschlitze geschnitten hatte, um etwas sehen zu können. Aus der Ferne würde es aussehen, als sei der Hochsitz leer.
Ich nahm den Aldis- Fernrohraufsatz aus der Lederhülle und befestigte ihn am Gewehr. Das Seltsame an vielen Fernrohr aufsätzen, die im Ersten Weltkrieg bei den Enfields benutzt wurden, war, dass sie links vom Lauf befestigt wurden und den Schützen zwangen, mit dem linken Auge zu zielen oder den Schaft von der Wange zu nehmen und das Ziel mit dem rechten Auge anzuvisieren, wodurch das Gewehr den nötigen Halt verlor.
Ich ließ das Gewehr über das Feld
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