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Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition)

Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition)

Titel: Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine K. Albright
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Besonderes war, weil die Badewanne in der Küche stand. Davor war meine Familie Gast Eduard Goldstückers gewesen, des Akademikers, mit dem wir zuvor in Walton-on-Thames zusammengelebt hatten und der seither an der Botschaft unseres Landes zur Nummer zwei aufgestiegen war. Als Kommunist fiel seine Reaktion auf die Februar-Ereignisse naturgemäß weit positiver aus als die meiner Eltern. Für ihn bedeutete der Wechsel an der Führung eine Chance zu beweisen, dass die Ideologie, an die er glaubte, ihr Versprechen der sozialen Gerechtigkeit auch einlösen konnte. Für seine Loyalität wurde er schon bald mit einem Posten belohnt, den er sich sehnlich wünschte: Botschafter in dem neu geschaffenen Staat Israel. Eine Zeitlang pflegten die beiden
Länder freundschaftliche Beziehungen; Israel brauchte Waffen und Ausbilder, insbesondere für die ganz junge Luftwaffe; die Tschechoslowakei lieferte ihnen beides bereitwillig und zu einem angemessenen Preis. Die Freundschaft ging jedoch in die Brüche, als Israels Politiker sich weigerten, die strategischen Interessen ihrer Nation nach denen Moskaus auszurichten.
    Die Autorin, mit zehn Jahren, in der Schweiz
    Tragischerweise verliefen die Schicksale sowohl von Clementis als auch von Goldstücker nicht so, wie sie sich das erträumt hatten. Beide gerieten in das Netz der stalinistischen Schauprozesse, welche Anfang der fünfziger Jahre in der Tschechoslowakei Angst und Schrecken verbreiteten. Moskau wollte unbedingt verhindern, dass seine mitteleuropäischen Satelliten Titos unabhängigen Kurs nachahmten. Zu diesem Zweck wurden die Regierungen Ungarns, Rumäniens und der Tschechoslowakei gedrängt, an ausgewählten Regierungsvertretern ein Exempel zu statuieren, ob sie sich nun einer revisionistischen Denkweise schuldig gemacht hatten oder nicht. Gottwald, der fürchtete, selbst zum Opfer zu werden, kooperierte bereitwillig und lieferte über ein Dutzend seiner Kollegen ans Messer,
darunter auch Clementis, der verhaftet und später gehängt wurde, und Goldstücker, der zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. al Die jeweiligen Anklagen variierten in etlichen Punkten, aber generell wurde unterstellt, dass die Verdächtigen sich verschworen hätten, den Kommunismus an den Westen zu verraten.
    Diese Zeitspanne war ferner von einer hektischen Tätigkeit seitens der Geheimpolizei geprägt, deren junge Ermittler von den Sowjets gedrängt wurden, wo immer sie konnten Verschwörungen aufzudecken – insbesondere bei Männern und Frauen, die im Krieg für die Exilgemeinde mit Sitz in London tätig gewesen waren. Nach der neuen Logik war jeder, der den Westen als wahren Verbündeten im Kampf gegen Hitler betrachtet hatte, als ein Verräter am Proletariat einzustufen. Entweder war ein Mensch Kommunist oder Spion; Neutrale gab es nicht. Unter den Anhängern Beneš’, gegen die in Abwesenheit und ausführlich ermittelt wurde, war auch Josef Korbel – eine ehrenvolle Auszeichnung.
     
    G ottwalds Zeit an der Spitze der Machtpyramide in Prag war kurz, weil sich die Rolle als sowjetische Marionette als sehr kräftezehrend entpuppte. Im März 1953, einige Tage nach der Teilnahme an Stalins Begräbnis in Moskau starb er infolge einer Herzkrankheit und seines jahrzehntelangen Alkoholkonsums an einer geplatzten Arterie. Es lohnt sich allerdings die Geschichte seiner Ruhestätte zu erzählen, weil sie einiges über die vielschichtig verwobene tschechische Geschichte aussagt.
    Im 19. Jahrhundert wollten tschechische Protestanten neben den anderen wichtigen Denkmälern der Stadt eine Statue des einäugigen Hussitengenerals Jan Žižka aufstellen. Das 1882 konzipierte Projekt wurde von Katholiken verzögert, die keine Lust hatten, einen Helden der Protestanten zu ehren – und von Kubisten, die ein abstrakteres Design als das übliche Reiterstandbild befürworteten. Als im Jahr 1913 eine Ausschreibung veranstaltet wurde, setzte man gleich drei Künstler auf den zweiten Platz, aber keinen auf den ersten. Am Ende wurde ein hervorragender Bildhauer der Schule Rodins ausgewählt und begann mit der Arbeit an der bei Vollendung größten Bronzestatue der Welt: 9 Meter hoch und 16,5 Tonnen schwer. Deren Errichtung wurde wenig später gestoppt, weil die tschechischen Gesetzgeber der Meinung waren, Žižkas Pferd sehe verdächtig österreichisch aus und weil hohe Kirchendiener der Meinung waren, der General sollte mit einer Bibel in der Hand, statt mit einem Schwert dargestellt werden. Zu der Zeit, als der

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