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Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition)

Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition)

Titel: Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine K. Albright
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Bildhauer die Gussform vollendet hatte, waren die Deutschen im Land einmarschiert und fingen an, nach dem Werk zu suchen. Eilends wurde die Form zerlegt und an verschiedenen Orten in ganz Prag versteckt.
    Nach dem Krieg wurde die Form endlich wieder vereint und die Statue am 14. Juli 1950 eingeweiht. Weil das Land mittlerweile eine kommunistische Regierung hatte, musste der Aufstand der Hussiten nunmehr zu einer frühen Manifestation des säkularen Klassenkampfes umgedichtet werden, wobei Žižka als der erste Marxist gefeiert wurde. Entsprechende Flachreliefs zum Ruhme des Proletariats wurden hinzugefügt. Seinen Anhängern schien es folglich nur recht und billig, Gottwalds Überreste in dem Mausoleum hinter Žižkas Statue beizusetzen – wo die beiden miteinander kommunizieren konnten, von Volksheld zu Volksheld. Mit der Einbalsamierung des Leichnams wurden jedoch Amateure beauftragt. Schon nach einem Jahrzehnt musste der verwesende Leichnam entfernt und verbrannt werden.
     
    D er Posten meines Vaters bei der UNO war keine dauerhafte Stelle, auch wenn der anhaltende Streit um Kaschmir, der sechs Jahrzehnte später immer noch nicht geklärt ist, eventuell diesen Eindruck erweckt hatte. Die Kommission hatte man im Januar ins Leben
gerufen, und die ersten drei Mitglieder wurden im folgenden Monat ausgewählt. Zwei weitere kamen im April hinzu; im Juli reiste das vollständige Gremium, mit meinem Vater als Vorsitzendem, nach Pakistan. Die Mitglieder pendelten während des größten Teils des Sommers zwischen den beiden Kontrahenten Pakistan und Indien hin und her.

    In der zweiten Hälfte des Jahres 1948 schrieb mein Vater uns immer wieder muntere Briefe über die exotische Landschaft und die Tierwelt auf dem Subkontinent, darunter auch Affen, die sich bis in sein Hotelzimmer wagten. Er war sich jedoch im Klaren, dass seine Tage gezählt waren. Das tschechoslowakische Außenministerium hatte den starken Verdacht (das geht aus unlängst frei gegebenen Unterlagen der Geheimpolizei hervor), dass er nicht die Absicht hatte, nach Prag zurückzukehren. Aber er hatte auch drei kleine Kinder und kaum eigenes Vermögen angehäuft. Es lag nahe, dass sich seine Zukunftspläne Amerika zuwandten, wo die Vereinten Nationen ihren Sitz hatten und wo sich mehr Möglichkeiten als in irgendeinem anderen Land boten. Am Ende des Jahres sollte die Kommission in New York ihren Bericht vorlegen. Er wollte die Gelegenheit nutzen, um sich zu erkundigen, ob eventuell eine geeignete Stelle im UN-Sekretariat zur Verfügung stehe. Außerdem wollte er dort ein Treffen mit seiner Familie arrangieren.
    Am Abend des 5. November brachen meine Mutter, Kathy, John und ich nach Southampton auf, wo wir an Bord der SS America gingen
und den Ärmelkanal nach Frankreich überquerten. Dort blieben wir über Nacht. Am nächsten Morgen setzten wir nach dem Frühstück unsere Reise nach Westen fort, der Sonne entgegen. Von der Freiheitsstatue begrüßt, kamen wir einige Tage später kurz nach 10 Uhr an; es war der 11. November, der Waffenstillstandstag des Ersten Weltkriegs. Kurz vor Weihnachten stieß mein Vater zu uns, nachdem er den Atlantik an Bord der Queen Mary überquert hatte. Seine Hoffnung auf eine Stelle bei den Vereinten Nationen erfüllte sich zwar nicht, aber sein Gesuch, unserer Familie Asyl zu gewähren, wurde von den amerikanischen und britischen Diplomaten, die ihn kannten, und von demokratischen Exiltschechen, mit denen er in Kriegs- und Friedenszeiten zusammengearbeitet hatte, stark befürwortet. Mehrere Monate lang warteten meine Eltern angespannt; der Antrag wurde am 1. Juni 1949 gebilligt. Damit begannen die weiteren Abenteuer meiner Familie – in dem Land, das Antonín Dvořák in seiner berühmten Symphonie die Neue Welt nannte.

DAS NÄCHSTE KAPITEL
    K aum eine Empfindung wird häufiger geäußert als Dankbarkeit für die Opfer, die frühere Generationen gebracht haben. Nun, dann soll es so sein, Originalität ist nicht alles. Ich stehe tatsächlich tief in der Schuld meiner Eltern für die Liebe und den Schutz, die sie mir gaben, und für das Vermächtnis, das ich empfing – darunter ein Engagement für die Freiheit und die Erkenntnis, dass deren Andauern nicht als gegeben angesehen werden kann. Darüber hinaus bin ich für das Vorbild meines Vaters dankbar; ohne ihn hätte ich niemals den Eifer für die Politik entwickelt, der mich zeit meines Lebens antrieb, geschweige denn das Selbstvertrauen, darauf zu bestehen, dass meine

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