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Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition)

Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition)

Titel: Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine K. Albright
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Krematorium gebaut und im September in Betrieb genommen. Von Anfang an hatten die vier großen, schwarzen Öfen reichlich zu tun. Die Asche wurde gesammelt, etikettiert und anfangs in hölzernen Urnen, dann in Kartons aufbewahrt.
    Der Herbst kam. Die Blätter der umliegenden Wälder wurden weinrot und goldfarben. Die Luft kühlte sich ab, erste Anzeichen für eine bevorstehende eisige Kälte. Innerhalb der Ghettomauern war die Bevölkerung von Theresienstadt auf 58 491 Insassen (Stand: 18. September 1942) angewachsen – der höchste Stand überhaupt. Zugleich verzeichnete man an diesem Tag die höchste Sterberate. Am 18. September erlag auch mein Großvater Arnošt Körbel im Alter von 64 Jahren einer Lungenentzündung. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde eine Begräbnisfeier veranstaltet, aber es dürfte ein Andenken an die vielen Toten gewesen sein, nicht allein an Arnošt. Als Olga schrieb, um die traurige Nachricht ihrer Tochter Greta mitzuteilen, wurde ihr nur eine einzige Postkarte mit maximal 30 Wörtern erlaubt, geschrieben in Druckbuchstaben und auf Deutsch.
    Bild 48
    Das Krematorium in Theresienstadt
    N ur die Nationalsozialisten konnten auf die Idee kommen, ihr Image aufzupolieren, indem sie ein Konzentrationslager errichteten. Theresienstadt war ein Gefängnis, das als eine Stadt getarnt war. Außer einem Postamt gab es auch ein Kaffeehaus mit einer Kapelle namens Ghetto Swingers, aber der »Kaffee« wurde aus einer Mischung aus Kräutern und Rüben hergestellt. Das einzige Nahrungsmittel, das ständig erhältlich war, war Senf. Es gab auch Läden, aber der größte Teil der angebotenen Waren war von den Gefangenen konfisziert worden. Es kursierte ein Witz, dass die Boutiquen von Theresienstadt die besten der Welt wären, weil man nur hier ein Hemd kaufen konnte, das schon das eigene Monogramm hatte. In einer Zeit, als Nikotinabhängigkeit noch weit verbreitet war, wurden Zigaretten – auch wenn sie angeblich verboten waren – zum Tausch gegen alles genutzt: von Brotscheiben bis hin zu Küsschen auf die Wange. Die Deutschen lieferten dem Ghetto sogar eine eigene Währung, mit einer Karikatur von Moses, wie er die Zehn Gebote hält.
    Die Verwaltung des Ghettos war ein Albtraum, den die SS-Leute gerne dem »Judenrat« überließen. Die »Ältesten« mussten mit einer Bevölkerung zurechtkommen, die gespalten war in Zionisten und assimilierte Juden, Kommunisten und Demokraten, Junge und Alte. Vor allem die Deutschen und Tschechen kamen nicht besonders gut miteinander aus. Die Tschechen hassten die deutschen Juden, weil sie Deutsche waren; die Deutschen waren über die Tschechen wegen deren Vorurteile aufgebracht. Beide warfen der anderen Seite Hochnäsigkeit vor. Hinzu kam eine beachtliche Minderheit frommer Christen, die erfolgreich ihr Recht einforderten, Gottesdienste abzuhalten.
    Weil die Nazis so viele Aufgaben delegierten, waren sie imstande, Theresienstadt mit einem Kontingent von nur zwei Dutzend Deutschen zu leiten. Ihnen standen 150 tschechische Gendarmen unter dem Befehl von Theodor Janeček zur Seite, einem Sadisten, der die Insassen schikanierte und jeden kleinsten Verstoß seinen Vorgesetzten meldete. In der Regel setzten die tschechischen Wachen jedoch nicht willkürlich brutale Maßnahmen ein; 14 Wachen wurden wegen des Schmuggels verbotener Waren zu den Insassen inhaftiert oder weil sie verbotenerweise Briefe hinausgeschmuggelt hatten.
    Um die deutschen und tschechischen Sicherheitskräfte zu unterstützen, bildeten die Juden eine eigene Polizeieinheit, die sogenannte Ghettowache. Diese Beamten waren befugt, Insassen für geringfügige Verstöße, Delikte wie Diebstahl und Verleumdung, zu verhaften und zu bestrafen. Schwerere Verstöße wurden an die tschechische Polizei oder letztlich an die Aufseher aus der SS weitergeleitet. Die Ghettowache war außerdem dafür zuständig, dass sich jeder Insasse meldete. Vor allem in den ersten Monaten war die Flucht aus Theresienstadt relativ einfach – man brauchte nur den gelben Stern abzureißen und konnte einen Bus nehmen. Aber wohin sollte man fliehen? Im Norden lag das Deutsche Reich, im Süden das besetzte Böhmen. Rund 20 Männer flohen tatsächlich, um sich dem antifaschistischen Widerstand anzuschließen, aber die meisten sahen keine bessere Option, als das Kriegsende in Theresienstadt abzuwarten.
    Bei so vielen Gefangenen und so wenig Wachen wurden in Theresienstadt fortwährend unzählige Vorschriften gebrochen. Trotz des Risikos,

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